Aus dem Reich der schönen Reime und Melodien wanderte ich aus, den freien Vers zu finden, denn, ja, ihr hattet Recht, ihr Gründer der Moderne, mit eurer Kritik an romantischer Jenseitssehnsucht und lyrischem Zuckerguss auf einer bestialischen Wirklichkeit.
Doch habt ihr das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und die Lyrik ad absurdum geführt, indem ihr die Schönheit verneint, weil sie nur als Schein existiert; so klebt euer Text wie Blut an toten Dingen. Doch wozu dann noch Lyrik? Realität ist in Realität genug, ein Aberwitz sie hineinzudichten, sie zu überdichten.
Nicht Zuckerguss, nein, aber hinter und durch alle Realität, suche ich fortan nur die schöne Form der Wahrhaftigkeit. Ich will, in der gotischen Kathedrale sitzend, den bunten Fensterhimmel besingen, und nicht vergänglichen Staub unter dem Betstuhl hervorziehen.
Es sei mein Lied
Zurück aus Gipfelpfaden der Moderne, die sich in rauer Wirklichkeit verlieren und wortgewaltig Blut mit Blut beschmieren, damit die Sprache sich vom Schein entferne.
Mein sanftes Lied entdecke aus der Ferne dem Durst der wunden Welt mit ihren Leiden, wenn sie mit Messern mir das Herz zerschneiden, im Wüstenstein die rettende Zisterne.
Nicht Mietshaus sei mein Lied, es sei Kapelle, auf Fels gebaut, doch hoch zum Himmel weisend, der Wirklichkeit verhaftet, aber kreisend auf Sternenpfaden um der Schönheit Quelle, die heißvergossne Tränen heilend stillt: Geplagten sei es ein Madonnenbild.
einmal Reimdichter immer Reimdichter könnte man folgern. Ich bin der Meinung, jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Was mir weniger gefällt sind Aussagen wie
"... die sich in rauer Wirklichkeit verlieren und wortgewaltig Blut mit Blut beschmieren, damit die Sprache sich vom Schein entferne."
Wahre "Größe" hat es nicht nötig, andere Sichtweisen kleinzureden. Keine Sorge, ich bewundere gute Reimtexte durchaus, stelle für mich aber die inhaltliche Aussage (real und übertragen) über die Form.
Leider fristen heutzutage sowohl klassische wie auch moderne Lyrik nur noch ein Nischendasein und sollten sich deshalb nicht gegenseitig das spärliche Wasser abgraben.
es freut mich, dass du dich mit meinem Text samt Sonett auseinandergesetzt hast, ich dachte schon, es interessiert niemanden.
Die von dir zitierte Stelle redet die Sichtweise der Moderne nicht klein, sondern beschreibt sie. Es ist das was die Gründer der Moderne selbst ausdrückten und in dem einleitenden Text sage ich ja ausdrücklich: "Ihr hattet Recht mit eurer Kritik an lyrischem Zuckerguss auf einer bestialischen Wirklichkeit". Meine Kritik ist nur, dass sie durch die radikale Negation der klassischen Formen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben. E.A.Poe, der ja oft zum Begründer der Moderne gezählt wird, hat diesen Fehler übrigens nicht begangen.
Mir geht es überhaupt nicht um Kleinreden, denn das Gedicht, und der Text bringen meine völlig subjektive Entscheidung zum Ausdruck. Mag jeder tun, was er will, ich habe redlich versucht die Modernen Formen zu verstehen und ich schließe den Freien Vers auch für mich in Zukunft nicht aus, aber eben nur als eine Form von vielen, die für gewisse Inhalte und Gefühlslagen passen kann – nicht mehr.
Dass die Lyrik heute ein Schattendasein führt, stimmt und wieder auch nicht. Im Bereich der rezensierten und verlegten Sprachlyrik stimmt es, und ist meiner Meinung hauptsächlich der elitären Abgeschlossenheit der modernen Lyrik geschuldet. Jedoch im weiteren Sinne stimmt es nicht, denn die Lyrik ist, als wirklich zur "Lyra" gesungenes Gedicht, in der Populärmusik sehr lebendig. Ich finde dort viele Beispiel, die mir gefallen. Das Lebendige wird bleiben.
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