Mein Tagtraum führt mich hin zu ihr. Ein Grund für bestgestimmte Laune, erst einmal! So, und nun ja, sie scheint nicht ganz gesund. Das stört mich überhaupt nicht, ganz egal! Ein schöner netter Wachtraum, der sich hält, so denke ich, das kostet nicht die Welt. Doch er erfüllt sich nicht, auf keinen Fall, mein Traum aus Stein bleibt weiter Rauch und Schall, mein Kummer schmerzt im ach so leeren Raum, die Luft erfüllt von gelbem Schwefelschwall. Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
Mein Bild von ihr ist schwankend und der Bund mit ihr - zwar längst passé - ist ein Skandal in Gold gefasst, sehr kantig, nicht sehr rund. Sie selbst kommt minder schön, gar eher fahl daher. Wie schlimm doch ihre Haut zerfällt, ich schätze, sowas hab ich nicht bestellt! Der Regen führt zu äußerem Verfall, zerfrisst die Steinskulptur und den Kristall, dringt ein, verflüssigt Firnis wird zu Schaum, ersetzt den schönen Schein durch Schwermetall. Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
Doch Moschus entströmt dem lockenden Mund, ihr Wort klingt süßlich, ein bisschen nasal, sonor tönt die Stimme aus dunklem Schlund, fast ahnen kann man die zwanghafte Qual, versteckt hinter Gier nach dem schnellen Geld im Gesicht, das sich grämt und rasch verfällt. Kein wirklich beispielloser Einzelfall, dass es hässlich wirkt nach dem Maskenball. Das Gesicht zerfällt, zersetzt wird sein Flaum und dann zerbirst es in tosendem Knall. Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
Bis eben noch sah ich zu früher Stund sie voller Schönheit stehen am Portal, jetzt gleicht sie einem alten kranken Hund mit welker Haut, am Kopfe fast schon kahl. Nun fühl ich mich um den Gewinn geprellt, von Kötern in den Gassen angebellt, an Wänden bricht sich schrill der Widerhall, getrieben werd ich wie ein Federball. Wie halt ich meine Sinne bloß im Zaum und trotze diesem üblen Wahnanfall? Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
Sie steigt mir nach, ich flieh, die Füße wund, sie hinter mir, dann steh ich am Kanal, beim Sprung ins Nass, ich wieg zweihundert Pfund, erhöht sie mein Gewicht nur minimal. Erst hat sie mich erwischt, mich dann gestellt, in ihren Armen zappelt wild der Held, jetzt aber seh ich den wahren Befall: Die Frau voller Würmer wirkt dick und prall! Im Wasser umhüllt mich ihr Mantelsaum, wir treiben fort gleich einem Wasserball... Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
Die Stadt denkt noch lange an den Krawall, man findet die Körper am Uferwall. Sie hängen verschlungen im Weidenbaum, Es freun sich Dämonen am Wurmbefall! Ach was, das ist halt bloß ein schlimmer Traum!
*Allegorische Figur (Voluptas) an gotischen Kathedralen
Donnerwetter, die komplette 5-strophige Form bewältigt!!! Alle Achtung! Den Alptraum den du hier aufzeichnest, dokumentierst du mit so zahlreichen Rhythmuswechseln und Kombinationen, dass mir ein wenig wirr im Kopf ist, nachdem ich deine Strophen mehrfach las. Ich rhythmisierte erst Mal alles durch. - Der Jambus als Einstieg, Zäsuren durch Enjambements und später auch Phasen in denen der Daktylus schwingt, lassen für mich den Umgang mit der Triebhaftigkeit des LI deutlich werden. Das passt ja durchaus zum Thema deines Gedichtes.
Alleine, der sich wiederholende Schlussvers jeder Strophe, bringt mir nicht genug Ruhe in die Form. Ich frage mich, ob ein geringerer Einsatz von rhythmischen Brüchen nicht gereicht hätte um die Getriebenheit durch Wollust und der stetigen sexuellen Versuchung Ausdruck zu verleihen? Dein Stil wirkt auf mich zwischenzeitlich fast prosahaft erählerisch.
Vielleicht ist mir der ein oder andere inhaltliche Aspekt noch gar nicht aufgegangen, das ist gut möglich. Auf jeden Fall eine "Wahnsinns Arbeit", lieber Karlheinz, die das Reimschema tadellos erfüllt, und trotz fünf Strophen keine Reimwiederholung aufzeigt. - Chapeau!
dem Lob von Sanderling möchte ich mich uneingeschränkt anschließen. Was mir zusätzlich auffiel ist, dass die lange Form (im Deutschen und der heutIgel Zeit) einen gewissen Überdruss erzeugt. Du hast das jedoch trickreich so gemacht, dass dieses sehr passend zum Inhalt ist, den du mit Bildern beschreibst, die aus einem Bosch-Gemälde stammen könnten.
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