Be water, my friend – als ich diesen Satz von Bruce Lee das erste Mal hörte, war ich in Sekundenschnelle erfüllt von unfassbarem Glück. Be water, my friend, endlich gibt es Worte für mein Lebensgefühl, endlich schenkt mir jemand ein Bild für das, was ich spüre und empfinde. Fließen zu lassen, mich nicht den Stromschnellen entgegenzustellen, sondern darauf zu vertrauen, dass der Weg des Lebensflusses ein eigener ist, der sein ureigenes, vielleicht noch unbekanntes oder unbenanntes Ziel findet, auf den Wellen des Lebens zu reiten durch all die Meere dieser Welt, einzutauchen in unbekannte Tiefen, dort die Stille neu zu erleben, mit bunten Fischen zu schwimmen und aus der Ferne Haie zu betrachten, vom Schweben eines Rochens verzaubert zu werden und den Seepferdchen zuzunicken.
Be water, my friend. Irgendjemand muss mir diesen Satz zugeraunt haben, als ich auf die Welt kam. Als Kleinkind wäre ich einmal fast im Murrumbidgee – River ertrunken, doch es schien mir nichts ausgemacht zu haben. Jedenfalls liebe ich bis heute das Wasser. Als Durstlöscher, als Dusche, in der Wanne, als Tümpel, billabong, See, als Rinnsal, Bach, Fluss oder Meer.
Es gibt Geschichten von mir, wie ich selig in einem Schwimmreif hing und mutterseelenallein durch ein riesiges Schwimmbad trieb. Wenn ich im Wasser war und bin, ist alles gut. Dann bin ich angekommen, denn Wasser ist meine Heimat. Vielleicht war ich in meinem Vorleben ein Delphin, einer dieser vergnügten Gesellen, die mit ihren Artgenossen spielen und deren Mütter mit nur einer Hirnhälfte schlafen, während die andere über ihre Babys wacht. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass es genauso gewesen sein muss.
Schwimmen lernte ich in einem Jugendstilbad in Berlin mit einer hohen Kuppel und einer Ballustrade, von der aus man auf das Becken gucken konnte. Herr Haack zog seinen Bambusstab mit dem Ring am Ende weg, sobald ich ihn schwimmend erreichte, doch selbst das konnte mir die Freude an Bewegung im Wasser nicht vergällen.
Be water, my friend, höre ich, wenn ich am Meer stehe und in die endlose Weite blicke, wenn mich das Rauschen hinausträgt zu den Sirenen, den Meerjungfrauen und den Geheimnissen zwischen Salzluft und Sand.
Be water, my friend – diesen Satz murmele ich beständig vor mir her, wenn ich mich sammeln möchte in den Wirren des Alltags. I definitely am water, my friend und das nicht nur, weil ich zu fast 70 Prozent aus Wasser bestehe.
Liebe anna, diese persönlichen Szenen haben einen besonderen Reiz. Denn es gehört nun Mal zum Wesen des Menschen Vorlieben zu haben und deine Affinität zu Wasser treibt dich ja förmlich durch Leben. Du hast es so geschrieben, dass ich den Eindruck habe mit dir etwas hinausgeschwommen zu sein, in dein Empfinden und Erleben von Wasser. Dabei tauchen augenscheinlich auch Widersprüche auf: Be water, denke ich, wenn ich mich sammeln will". Der Sinn entsteht erst im Kontext deiner Lebensgeschichte. Sehr schön geschrieben. Liebe Grüße der Sanderling
dein Mantra ist auch meins! Und auch ich kann mich an Schwimmstunden erinnern, sie fanden allerdings im „Kästchen“, in einem hölzernen schwimmenden Käfig statt, der in die Lahn eingehängt war. Haupthilfsmittel oder besser gesagt Verhinderungsmittel, das Schwimmen zu lernen, waren sog. Schwimmbüchsen, die dem Zögling umgeschnallt wurden…
Heute ist mir trotz dieser Tortur das Wasser bzw. das Meer sehr vertraut!
Sehr gerne gelesen und an alte Zeiten gedacht Karlheinz aus Samothraki
vielen Dank für eure Rückmeldungen. Besonders interessant war es für mich, dass ich zwischen den Sprachen zu schwimmen scheine und dass ich mich scheinbar nicht im Wasser sammeln kann oder doch? Wenn sich Wasser sammelt? Ich freue mich auch, dass ich andere Wasserfreunde in euren Reihen gefunden habe und darf berichten, dass ich viel Spaß hatte beim Schreiben des Textes.
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