Die Demokratie frisst ihre Enkel

Aus dem Reich der Toten
Sind wir zurückgekehrt
Zu euch Vollidioten
Wie seid ihr doch gestört!

Ihr, die noch vor Jahren
Europa wolltet bau'n
Liegt euch in den Haaren
Wer kann da wem noch trau'n?

Phönix aus der Asche
Den hattet ihr schon mal
Nach der Euromasche
Erneut der Drachme Qual?

Arbeit, Schweiß und Tränen
Wer kennt die Troika noch
Muss man's noch erwähnen
Euch schluckt das schwarze Loch!

Lieber Karlheinz,
deine Verse kommen sehr wütend herüber und spiegeln deutlich die Befindlichkeiten der griechischen Bevölkerung. Wer sollte sie besser beurteilen können als du? Auch ich bin entsetzt über die Entwicklungen.
Trotzdem bin ich nicht ganz deiner Meinung. Wer sich in einer Gemeinschaft, gleich welcher Art, befindet, muss sich anpassen bzw. den Regeln beugen. Das ist nicht immer einfach, wird aber vorausgesetzt.
Wie die meisten Menschen in der europäischen Gemeinschaft kann ich nicht beurteilen, welche Lösung die bessere gewesen wäre. Ich glaube, es gibt nur Verlierer. Und wie viele Menschen hoffe ich auf eine Zukunft, die allen Beteiligten die schwere Last von den Schultern nimmt.
In diesem Sinne herzliche Grüße nach Samothraki,
Heliane.

Liebe Heliane,
dies ist nach langer Zeit mein erstes Gedicht. Ich danke Dir für Deine Gedanken zum Thema. Auch ich bin der Meinung, dass Regeln eingehalten werden müssen. Wenn die nun durchgesetzten Maßnahmen aber keinerlei Hilfe für das kranke Griechenland bringen, sondern es weiter schädigen, dann frage ich mich, geschieht das aus naiver Unkenntnis oder absichtlich, um das Land noch abhängiger und gefügiger zu machen. Alle sogenannten Reformen werden das Land weiter ruinieren! Was das Gedicht anbelangt, bin ich mir nicht sicher, ob alle in ihm enthaltenen Anspielungen auch verstanden werden!?
Viele liebe Grüße vom Eiland der Selbstversorger, das bisher wenig tangiert wird
Karlheinz

Lieber Karlheinz,
eigentlich bin ich sehr unwissend, was die derzeitige Krise betrifft, doch glaube ich, dass die Entscheidungen weder aus naiver Unkenntnis noch aus Absicht gefällt wurden. Viel eher vermute ich den Wunsch, das sowieso sehr fragile Geschöpf "Europa" nicht noch stärker bröckeln zu lassen.
Ich habe in den vergangenen Wochen oft an dich gedacht und mich gefragt, wie es dir wohl ergeht. Darum freut es mich sehr, ein Gedicht von dir zu lesen. Ob alle deine Anspielungen verstanden werden? Ich weiß es nicht und erkenne sie wahrscheinlich auch nicht. Für mich kommen Wut, Enttäuschung und Trauer ungebremst rüber. Mich regt dein Gedicht zum Nachdenken an und das ist für einen Autor nicht unwesentlich, nicht wahr ?
Ich erhoffe mir noch viele Kommentare zu deinem Gedicht und schicke dir herzliche Grüße,
Heliane.

Liebe Heliane,
"unwissend" ist das Schlüsselwort. Man ist im übrigen Europa vor allem unwissend in Bezug auf Griechenland und seine heutigen Bewohner. Was man kennt, sind die üblichen Gemeinplätze und Vorurteile, aber keine tiefergehenden Details. Man sieht Griechenland als den Ursprung der Demokratie, was der heutige Grieche damit zu tun hat, hinterfragt man erst gar nicht.

Lieber Thomas,
ja ich sehe das auch so, politische Gedichte haben fast immer etwas Problemtisches. Natürlich hatte ich Churchills Rede im Kopf und habe das "Blut" durch "Arbeit" ersetzt. Im neugriechischen Wort "doulia" für Arbeit steckt übrigens das Wort "doulos", also Sklave! Einen wichtigen Hinweis gibt schon die Überschrift, eine Abwandlung von "die Revolution frisst ihre eigenen Kinder" sowie der "Phönix", der einmal auf die erste Währung des modernen Griechenland verweist zugleich aber auch ein häufig gebrauchtes Emblem während der letzten Diktatur.
Für die maßlose Verschuldung sind natürlich in erster Linie die Griechen selbst verantwortlich, die den Kanal nicht voll genug bekommen konnten, zum anderen haben andere - ich sag mal Mächte - davon profitiert und profitieren immer noch davon.
Euch beiden herzlichen Dank und viele Grüße
von der Insel, die der Muße im Sinne von otium förderlich ist
Karlheinz

Lieber Karlheinz,

Empörung und auch Wut insbesondere über das was mit Griechenland gemacht wird lese ich aus Deinem Gedicht. Was dem Einzelnen bleibt ist Hilflosigkeit. Natürlich gibt es für alles eine Lösung, die auch vielen bekannt ist, aber nur vorsichtig von Wenigen angedeutet wird (z.B. von Prof. Dr. Hans Werner Sinn u.a.).
Alles was in Geschichte und Politik geschieht, geschieht nicht zufällig, sondern ist so gewollt von einigen Wenigen die Vorteile davon haben. Dazu kommen dann noch Abhängige und Mitläufer, welche auch Vorteile daraus ziehen.

LG Hans

Lieber Hans,
Sinn hat insofern recht, dass Griechenland von Anfang an nicht dem Euro hätte beitreten dürfen, aber die Verlockung, sich zu bereichern auf allen Seiten, war zu groß und die ersten Jahre brachten ja auch scheinbaren Wohlstand für alle Griechen, auch für die, die vorher nichts hatten. Das dicke Ende kam später. Die Wiedereinführung der Drachme wäre sicher "sinn"voll für die Griechen, aber sehr gefährlich für das Gesamtsystem, deswegen die "Rettung" in letzter Minute. Eine nette Gelegenheit, den asozialen Umbau unserer EU-Gesellschaft weiter voranzutreiben!
Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße
von Karlheinz

Lieber Karlheinz,

In einem länderübergreifenden Wirtschaftsraum müssen die Produktionskosten ungefähr gleich sein. Höhere Löhne müssen durch höhere Produktivität oder kleinere Gewinne ausgeglichen werden, ansonsten verliert das Land seine Konkurrenzfähigkeit und auch Arbeitplätze. Deutschland hat durch Erhöhung der Produktivität, Senkung der Reallöhne und Förderung von Export seine Wirtschaftsleistung mehr als andere Länder gesteigert. (Produktionsüberschüsse sind für den Produzenten wertlos, wenn sie nicht, gleich für welchen Preis exportiert werden). Dies ging auf Kosten des Binnenmarktes (Kaufkraftschwund) und der Produktion anderer Länder, die ihren Produktabsatz nicht durch Zölle schützen durften. Dadurch ist eine Schieflage entstanden, die ausgeglichen werden muss. Große Unterschiede führen immer zu Spannungen die auf allen Seiten schädlich sind (siehe Griechenland). Dies ist alles so gewollt im Interesse von Wenigen, für die es ein Erfolg ist.

Warenaustausch ist nur dann gesammtwirtschaftlich (länderübergreifend) effektiv wenn die eingeführten Waren im eigenen Land nicht oder nur erschwert produziert werden können.

LG Hans

Lieber Karlheinz,
Dein Gedicht sehe ich nicht als politisches Gedicht, ich ordne es als Zeitkritik ein. Und ich bin überzeugt viele Griechen sehen es wie Du und deshalb ist es wichtig sich so ausdrücken zu können. Die Resignation, die schon im Titel sichtbar wird, ist nur zu verständlich.

Für mich ist Dein Gedicht der Ausdruck des Volkes

herzlich Ilona

Lieber Hans,
Ich danke Dir erneut für Deine erhellenden Ausführungen, denen ich mich weitgehend anschließen kann.

Liebe Ilona,
Danke, Du hast genau erfaßt, was ich mit dem Gedicht beabsichtigt habe, nämlich die hier vorherrschende Resignation des Volkes, das sich selbst nicht als faul begreift, zum Ausdruck zu bringen. Vielleicht werde ich die letzte Zeile in "Uns frisst das schwarze Loch" abändern, um das noch besser herauszuarbeiten.
Euch beiden herzliche Grüße aus Griechenland, in dem die Preise "spontan" um 10 Prozent gestiegen sind
Karlheinz

lieber Karlheinz
ich liebe Griechenland und die griechischen Inseln. Habe dort viele sehr schöne Urlaube verbracht. Es wäre fatal wenn die Preise ins unendliche steigen. Wer kann sich dann noch auf Rhodos oder Kreta einen Urlaub leisten? Ich wohl nicht
und ich glaube nicht, dass die Griechen faul sind, wer so etwas sagt bediehnt nur ein Vorurteil.
Ich kenne so viele sehr sehr fleißige Griechen.

herzlich Ilona

Liebe Ilona,
in der Tat ist Griechenland schon jetzt kein Billig-Reiseland. Was die aktuellen Preise angeht, habe ich mit den 10Prozent etwas übertrieben. Nicht für alle Waren und Dienstleistungen ist das bisher umgesetzt. Sofort stark angestiegen sind die Preise für die Fähre auf die Insel, Gemüse, Fleisch, Brot und Essengehen sind weiterhin billiger als in Deutschland, Benzin, zumindest hier auf der Insel extrem teuer.
Also lass Dich nicht abhalten, so schlimm wird's wohl nicht! Liebe Grüße Karlheinz