Mein Stammbaum ist zum Herzerweichen: Er zeigt mir kurz beweinte Leichen, kein Pharao, kein Prinz dabei. Nur tief bedrückte Bauernbuben mit Schweinekoben in den Stuben und täglich düsterm Einerlei.
Das Mittelalter tat sie zwingen, den Zehnten jährlich aufzubringen, es ging kein Weg daran vorbei. Der eine wollte sich nicht fügen, begann recht frech herum zu lügen, der Gutsherr sagte: „Feuer frei“.
Ein Weib verschwand im Kriegsgetümmel. Gefreit vom tölpelhaften Lümmel blieb ihre Tochter vogelfrei. Sie wandte sich beherzt gen Westen. Trotz aller Mühsal und Gebresten blieb fern sie jeder Heuchelei.
Der hoch gestellte Herr der Dome entdeckte lästerlich Symptome, er unterstellte Ketzerei. Am Ende wurde sie gefangen und musste lang am Galgen hangen. ihr Schicksal war ihm einerlei.
Und so geht’s weiter ohne Ende, die Kirchenbücher sprechen Bände von Fron und böser Tyrannei. Sie alle mussten sich verzehren und konnten keinen Gulden mehren, erlitten Not und Gängelei.
Für mich gabs leider nichts zum Erben, was übrig blieb, es waren Scherben, kein Schweinebatzen und kein Ei. Ich werde mich fortan begnügen, mit frischem Witz und frommen Lügen, wie heißts so schön? Mit Dichterei.
welch eine gelungene Ballade! Von Anfang bis Ende spannend, sprachlich bestens und trotz des dramatischen Inhalts sehr ulkig formuliert. Die gewählte Strophenform passt ganz hervorragend, die Pointe kommt unerwartet und ist sehr witzig! Ich habe aufmerksam gelesen und keinen einzigen Hüpfer entdecken können (nur ein, zwei Inversionen, die aber nicht stören). Für ein "Erstlingswerk" nach langer Pause: Chapeau! Mehr davon!
das ist ein schönes Bekenntnis für die Dichtung. Die Strophenform fördert den Erzählfluss. Ein paar Kleinigkeiten möchte ich anmeckern.
"Das Mittelalter tat sie zwingen" klingt wegen das "tat sie" in meinen Ohren unschön und außerdem war es ja nicht das Mittelalter, welches zwang. Das Problem ist schwer zu beheben. Ich habe einen Vorschlag, aber bei dem geht das Wort "Mittelalter" flöten, weswegen er dir wahrscheinlich nicht gefällt. Trotzdem schreibe ich ihn mal hin, vielleicht regt er die an.
Sie hatte selber kaum zu Leben, doch mussten sie den Zehnten geben,
Drei Zeilen weiter klingt das "herum zu lügen" merkwürdig. Wie wäre es mit "begann zu streiten und zu lügen,"?
Wenn man am Ende der nächtsen Strophe statt "blieb fern sie jeder Heuchelei" sagte "verschmähte sie die Heuchelei.", wäre die Inversion beseitigt.
Schließlich würde ich die vorletzte Strophe statt mit " Und so geht’s " mit " So ging es " beginnen.
lieber Levi ich bin ja auch die "Neue" und finde Du hast hier einen tollen Text über den Stamgemacht ihn zu ldmbaum so mancher Leute gedichtet. Hat Spass gemacht ihn zu lesen. herzlich Ilona
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