I Möwen stürzen sich auf Nachbars Kirschenbaum. Steine fallen aufs Glasdach. Ich fange an zu zählen, erst die Möwen dann nur noch Steine
II Bunte Segeltücher wehen. Die Männer drehen die Segel mit dem Wind. Irgendwann sind sie verschwunden, nur das Blau bleibt zwischen Himmel und Meer.
III Morgens bei Sonnenaufgang fühle ich den Tau unter meinen Füßen. Verbunden und am Leben zu sein, brauche ich jetzt.
IV Sommergespräche, die Zeit spielt keine Rolle Geschwisterliebe
V Noch leuchtet der Mohn und wir begraben alten Streit, suchen das Band finden Liebe.
VI Am Himmel Kondensstreifen Düsenjets demonstrieren Kampfbereitschaft ich bete
VII Windjammerparade zur Kieler Woche mit Spiel, Tanz und Musik. Morgens zu viel Abfall und Schnapsleichen.
VIII Hinterm Haus verbrannter Rasen. Nachbarn geraten in Streit. Erhitzt die Sonne die Gemüter? Warum denke ich jetzt an Larissa und Mariupol?
IX Sommerwind, Kornblumen und Mohn wiegen sich im Weizenfeld. Ein Spaziergang mit Larissa bis sie gebrochene Halme sieht. Hinter jedem Halm liegt ihr Sohn.
X Gewitterschwüle liegt in der Luft. Plötzlich scheint die Welt wie ausgestorben. Faszinierend die Stille und beängstigend. Ich warte auf Blitz und Donner und auf den erlösenden Regen.
XI Regentropfen prasseln. Auf der Spielstraße, die Zeichnungen verschwinden. Manchem Nachbarn ist es nicht genug.
XII Schätzen wir den Wert des Wassers, obwohl wir nicht die leeren Brunnen sehen? Noch läuft das Leben aus dem Wasserhahn
XIII Sommermorgen auf der Terrasse ein Frühstück, selbstgemachte Konfitüre, Johannisbeeren aus dem Garten und ein Strauß Lupinen.
von Beginn an ist es dir gelungen eine Stimmung aufzubauen und zu halten, die du durchgehend und ausgesprochen poetisch gestaltet hast. Ich fühlte mich wohl beim Lesen owohl viele Stimmungsbilder unterschiedlicher Art angesprochen werden und sogar der Krieg Putins gegen die Ukraine Raum findet. Dabei wird deutlich, dass es immer um Einzelschicksale geht, hier um die Zerissenheit einer Frau die geflüchtet war und doch wieder zurück muss.
Die Stimmung am Meer fängst du gekonnt ein und zieht mich in den Bann.
In II fiel gefällt mir die Satzstellung nicht ganz, kann aber an mir liegen. Ich fände es so schlüssiger:
II "Im Rumpf der Boote drehen die Männer die Segel mit dem Wind."
ich empfinde dein gelungenes Gedicht ähnlich wie Sanderling. Vielen Dank, dass du uns in deinen Sommer mitnimmst. Die Satzstellung in II stört mich nicht, ich finde sie sogar gut. Gut finde ich auch die Kontraste, wie z.B. II und VI, zwischen dem Heile-Welt-Sommer und dem Kriegssommer. "Sehnsucht und Ungewissheit trieben sie zurück" in Blick VIII bringt das auf den Punkt, empfinde ich. Vielleicht könnte man in VIII die Fragen weglassen und nach der zweiten Zeile einfach sagen: "Ich denke an / Larissa und Mariupol." Und in XII frage ich mich, ob das Zitat ncht zu prosaisch wirkt. Eigentlich ist doch alles gesagt, wenn du schreibst: XII Schätzen wir den Wert des Wassers? Noch läuft das Leben aus dem Wasserhahn.
ein sehr schönes Ergebnis mit vielen nachfühlbaren Momenten! Bitte denke noch mal über den folgenden Satz nach: „Schätzen wir den Wert des Wassers, obwohl wir nicht die leeren Brunnen sehen?“ Irgendwie scheint der mir nicht ganz logisch. Mir scheint, das „obwohl“ passt nicht mit dem „nicht“ zusammen…oder spinne ich?
ich gehe davon aus, dass man das Wasser (wert)schätzt, wenn man leere Brunnen sieht, und es ist deshalb folgerichtig zu fragen, ob man es schätzt, obwohl man die leeren Brunnen (noch) nicht sieht. So habe ich es jedenfalls verstanden.
lieber Sanderling vielen Dank für deine Gedanken. Ich habe in den 3 Wochen, die wir für die Aufgabe hatten, fast täglich meine Gedanken niedergeschrieben.
Zitat von Ostseemöwe im Beitrag #1Im Rumpf der Boote die Männer drehen die Segel mit dem Wind.
Ich habe mir überlegt, ich werde die Zeile Im Rumpf der Boote streichen. Sie ist für mich nicht mehr wichtig. In diesem Augenblick ist mir zu Bewusstsein gekommen, das Segel mit dem Wind zu drehen ist nicht immer verkehrt. lieber Thomas Vielen Dank für deine Gedanken. Deinem Denken in VIII und XII kann ich in jedem Punkt folgen und streiche die angeführten Sätze.
lieber Karlheinz ich kann mich nur Thomas anschließen, was den Wert des Wassers betrifft. Genau wie er es erklärt, habe ich es ausdrücken wollen. Mir ist es bewusst geworden, als mein Nachbar sein Auto gewaschen hat. Ich fragte mich, ob es sein muss. Danke für Deine Gedanken Liebe Grüße Ilona
Somer und Krieg - wie passt das zusammen? Leichtigkeit, laue Lüfte, ein sich dahintreiben lassen, Farbenvielfalt, Wärme und der lauernde Tod.. am stärksten kommt diese Spannung für mich in der Nr. VIII zur Geltung, da hat es mich beim Lesen geschaudert. Ich musste an die Normalität denken, die viele Menschen versuchen trotz des Krieges und der Bedrohung zu leben.
Und auf einmal schmeckte die Johanisbeermarmelade aus dem Garten am Frühstückstisch leicht bitter.
Was hat diese Aufgabe mit dir gemacht, das würde mich interessieren. Ich liebe dieses 13 Blicke Format deshalb so sehr, weil es mich zwingt, genauer hinzusehen. Es entlässt mich nicht nach ein, zwei kurzen Blicken, sondern möchte, dass ich mir die Dinge von allen Seiten eingehend betrachte - das gefällt mir daran so gut. Ich habe jetzt schon ein paar Mal auch diese 13 Blicke zum Abschied an Menschen geschrieben, die mir am Herz lagen. Auch das hat mich sehr berührt.
Liebe Grüße und danke für deinen einfühlsamen Blick auf ein so besonderes Thema.
Liebe anna a Bitte entschuldige meine späte Reaktion auf deine Antwort. Manchmal hat das reale Leben einfach zu viel zu bieten. Um deine Frage zu beantworten, ich habe bei den 13 Blicken 13-mal ein Blick auf meinen Alltag getan. Es gibt ja, um uns so viel zu entdecken. Es sind Augenblicke in diesem Sommer. Ein Spaziergang mit meiner Schwester, ein langes Gespräch mit meiner anderen Schwester. Im Verein, Larissa, die sich so nett verabschiedet hat. Jetzt nach dem Aufschreiben denke ich, Wahnsinn, was alles in eine kurze Zeit von 3 Wochen passt. Aber sicher geht es Jeden von uns so. Liebe Grüße zu dir Ilona
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