anbei ein kurzer Text über das Sonett von Marion Poschmann. Vielleicht interessiert oder inspiriert er euch...
Das Sonett gilt als eine der strengsten Gedichtformen, es hat stets vierzehn Zeilen, eine klare Metrik und ein vorgegebenes Reimschema. Sein Strophenbau ist dialektisch und legt einen Dreischritt von Satz, Gegensatz und Synthese nahe, oder auch ein Schema von Bild, Gegenbild und Überblendung, vielleicht Widerschein. Und da das Sonett nicht irgendeine Gedichtform, sondern diejenige ist, in der sich ein Dichter traditionell äußert, wenn er sich klassisch geben, ein poetologisches Statement abliefern oder ganz generell etwas Bedeutendes und Geschlossenes schaffen möchte, kann man getrost vom Sonett als dem formbewußtesten, sicher auch formelhaftesten aller Gedichte sprechen. Mich fasziniert das Sonett als Möglichkeitsraum, als Hallraum auch. Wenn man ihn betritt, wenn man das Sonett als Form der eigenen Gedichte wählt, klingt, ob man das beabsichtigt oder nicht, die gesamte Vorgeschichte mit. Dabei spielt es keine Rolle, ob man brav alle Vorgaben erfüllt oder auf den Reim verzichtet, die Zeilen zerstückelt, das Sonett nur noch ahnen lässt, es klingt auch dann mit, wenn der Text von Aussparungen, Fehlstellen, Verwischungen, Sprengungen versehrt, von Leere befallen ist.
(aus: Marion Poschmann, Mondbetrachtung in mondloser Nacht, Suhrkamp Verlag, 2. Auflage, S. 101)
danke für das Zitat, wie erfreulich, dass eine heute lebende Dichterin die Sonettform so hoch schätzt.
Dem Text kann ich nur zustimmen, da ich fast alles das in meinem Versuch die Sonettform in den Reinformen des Musengartens zu erklären gesagt habe. Dort habe ich auch versucht auszuloten, wie dehnbar diese Form ist und wo ihre Grenzen liegen, weil ich generell poetische Formen nicht von den "Vorgaben" her beurteile, sondern ihren Charakter und ihr Wesen zu erfassen suche. Deshalb empfinde ich den letzten Satz des Zitats als Tautologie, denn er setzt implizit voraus, dass es sich (trotz nicht brav erfüllter "Vorgaben" ) um ein Sonett handelt. Falls nicht, wäre dieser Satz in dieser Allgemeinheit falsch.
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