zu deinem eindringlichen Gedicht fällt mir recht spontan der Begriff "German Angst" ein. Zögern, fürchten, unschlüssig mit Entscheidungen hadern, bis hin zur manifestierten Angststörung vor Krieg und Weltuntergang, ist da scheinbar viel im Gepäck, oder, wie du sagst, im Unheilfächer. Ist es vielleicht so, dass dieses diffuse Gefühl mit großer Ansteckungsgefahr, erst dann weicht, wenn das Subjekt Mensch von tatsächlichen Schiksalsschlägen getroffen wird? Oder wird es dann lediglich bestätigt?
Ich erinnere die stetig bange Frage von Bekannten, die nach der Gesundheit fragen,..."doch hoffentlich nichts schlimmes?" Mancher Mensch badet geradezu gerne im Leid, besonders dem der anderen, zieht daraus vielleicht scheinbar sogar einen Gewinn für die Bedeutung der eigenen, unbeschadeten Existenz? -
Ich habe meinem spontanen Denken jetzt einmal freien Raum gelassen, als Reaktion auf dein Gedicht und völlig ungehemmt, mit Gefahr der Verallgemeinerung. Ich frage mich gerade, ob es ausschließlich unsere deutsche Geschichte ist, die für dieses Gefühl verantwortlich gemacht werden kann?
herzlichen Dank für deine Gedanken, welche tatsächlich den Kern meiner Aussage treffen. Der Begriff "German Angst" sagt ja zweierlei, erstens es ist irgendetwas, was wir Deutsch an uns haben (warum auch immer) und zweitens, es ist diffuse Angst, nicht berechtigte Furcht, welche zu sinnvollen Handlungen führen kann.
Das Schlimme an dieser diffusen Angst ist, dass sie vor der Realität blind macht. Das konkrete Elend und Sterben wird ausgeblendet und der Blick schwelgt in immer krasser ausgemalten Gefahren vor denen "Die Welt" gerettet werden muss. Ich sage "ausgemalt", weil die Gefahren von der Angst erzeugt sind, und nicht, wie normal, umgekehrt konkrete Gefahren Furcht erregen, aber sinnvolles Handeln ermöglichen. Die "German Angst" bewirkt hingegen sinnfreie Pseudoaktivitäten, wie z.B. Zerkratzen von SUVs zur Klimarettung. Es ist nichts Neues und "Last Generation" nur die neueste Spielart.
Ganz nebenbei ist das Gedicht eine Fingerübung zur Volksliedstrophe.
Ein interessantes Gespräch, dass ihr da führt, über ein intensives Gedicht in schlichtem Gewand. Vielleicht unterstreicht die Volksliedstrophe sogar diese unerklärliche Volksangst.
Angst war ja mal in grauer Vorzeit überlebensnotwendig. Wenn der Säbelzahntiger anschlich, schoss das Adrenalin hoch und man musste schauen, dass man schnellstens die Kurve kratzt, aber heute lauern andere Gefahren - reale und irreale. Neulich habe ich einen Bericht gelesen, dass in Deutschland die Angst um sich greift, weil der soziale Zusammenhalt, die soziale Sicherheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl bröckelt. Der ideale Nährboden also für diffuse Ängste. In einer funktionierenden Gemeinschaft empfindet man sogar reale Gefahren als weniger bedrohlich. Angst ist aber auch ansteckend und wem sie nutzt, kann sie leicht ausnutzen und damit manipulieren.
Ein Neurologe schreibt dazu, dass Angst und Aggression den gleichen neurologischen Grundlagen entspringen und deshalb leicht umschlagen kann. Das war bestimmt mal notwendig früher - zur Selbstverteidigung - damals zu Urzeiten, wenn's nicht mehr zum Wegrennen reichte.
genau so ist es. Das verteufelteilte daran ist, dass die Angst (in Gegensatz zu berechtigten Furcht vor konkreten Gefahren) die Nächstenliebe erstickt. Deshalb scheint mir die Nähe zur Angriffslust plausibel. Danke für deine Gedanken.
eure Diskussion lieber Ralf und lieber Thomas wird in den Medien immer mal wieder geführt. Ich scheue immer zurück vor verallgemeinernden Begrifflichkeiten. "German Angst" wer und warum wurde der Begriff geprägt? Ich musste auch erst schauen was eine Zukunfts-Dystopie und vermutete darin eine Krankheit. Ich habe tatsächlich schon gehört, es gibt Menschen die schreiben die lyrischsten Gedichte über die wüstesten Orte. Aber ist das die Mehrheit der Dichter? Streben wir nicht immer danach die Schönheit zu finden und kleine Nischen für die Leserschaft zu öffnen? "Last Generation Song" - wie schrecklich denke ich bei diesem Titel. Meine gesamte Gedankenwelt sträubt sich voller Inbrunst. Und ich will daran auch nicht glauben. Natürlich ist unsere Umwelt bedroht, aber überall sehe ich auch den Aufstand der Menschen um dem Einhalt zu gebieten. Vor allen Dingen sehe ich die Junge Generation, und ich bin voller Hoffnung. Und mir ist aufgefallen wie viele Menschen sich sträuben auf Alternativen zu setzen, aber genauso viele gibt es, die das Unheil erkannt haben und tatsächlich das Fahrrad der Bequemlichkeit vorziehen. Ich hoffe diese letze Strophe wird nie zur Wahrheit werden. Wir sind nicht geschieden vom realen Leid, Thomas. Im Gegenteil, heute kann keiner mehr die Augen schließen vor Krieg und Elend. Nicht nur in der Ukraine und in Afghanistan bestätigt es sich immer aufs Neue. Und wenn ich die Solidarität von "ganz einfachen Menschen" betrachte wird mir warm ums Herz und die Hoffnung wächst. Liebe Grüße Ilona
vielen Dank, ja, auch ich sehe die vielen positiven Menschen und erfreue mich daran. Das Gedicht bezieht sich auch nur auf einen Bruchteil, es verallgemeinert nicht. Aber andererseits denke ich schon, dass wir nicht nur von unserer Familie, sondern auch durch unsere Kulturgeschichte geprägt sind, weshalb es mich schon nachdenklich macht, wenn Menschen anderer Kulturen von "German Angst" sprechen.
lieber Thomas ich bin sehr am Zweifeln höre ich Ausdrücke die sich auf ganze Gruppen oder Völker beziehen. Gibt es diese Ausdrücke auch im Positiven? Ich meine "German Angst", "Polenklau" "schachert wie Zigeuner" "Italienmafia" all diese geprägten Wortschöpfungen sind doch immer verletzend. Und verallgemeinern über ein Mass das zu nichts Gutem führt. Natürlich gebe ich Dir Recht, wir sind alle gesellschaftlich geprägt und tragen es ein leben lang herum. Ich zum Beispiel habe eine Fahnen-Phobie aus meiner Kinder-und Jugendzeit der DDR mit bekommen. Ich bin mir bewusst wie albern diese Phobie ist, aber mir fällt es schwer dagegen anzugehen. Liebe Grüße Ilona
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