Was habe ich im Kopf?
Ich armer Tropf, hier steh ich nun,
ich Tor und bin so klug als wie zuvor.
Was ich verlor, das ist der wache Geist.
Er ist verreist, dorthin wo ich niemals gewesen.
Nur Spesen sind meine Gedanken.
Sie wanken und schwanken, sie ranken sich um das,
was ich nicht gut erfassen kann.
Es ist so fern, drum hör ich’s gern und glaube,
was ich muss vermissen, es sei mein Ruhekissen –
der Anlass mich selbst zu entschuldigen –
zu huldigen, dem allgemeinen Vorgedachten.
Zu denken, was ich denken soll – na toll,
so scheint mein Denken also richtig.
Ganz wichtig - deshalb unbrauchbar und nichtig.
Ich will ganz still und mit Gefühl im Widerstand und freien Willen,
den Bregen mir mit Fragen füllen, nicht „tschillen“!
Will Antworten mir selber geben –
will leben und nach der Wahrheit suchen.
Der Kuchen, der mir viel zu süß,
verheißt mir zwar das Paradies,
doch fies und mies ist das Verließ,
in dem mein eigner Geist verloren.
Verschworener, das will ich sein!
Denn tief in meinem Mark und Bein
ist immer noch ein Rest von Willen,
derselbe kann mich gut ausfüllen.
Wenn ich ihn lasse und nicht passe,
mein eignes Denken selbst zu lenken.
Dann wenn ich hasse, die blöden Schnöden,
die mich anöden und verblöden.
Moden als Methoden! So verliere ich den Boden.
Verliere ich meine Beine, selbst zu gehen,
bleibe stehen, lass mich drehen und umwehen.
Oh nein, oh nein, der falsche Schein ist so gemein –
ich lass es sein und bleib allein.
Ich werd mich nicht den Lügen fügen.
Ich bleib nicht hinterm Ofen liegen, ich will fliegen.
Mein eignes Denken lass ich frei, doch einerlei,
wie dem auch sei, ich taug nicht für den Einheitsbrei.
Denn mein Magen würde klagen,
nicht vertragen diesen Mix aus falschem Topf.
Doch was hab ich armer Tropf
wirklich, ehrlich noch im Kopf?
Mir kommt’s so vor, ich geh dacor
und bin viel schlimmer – noch immer
kein bisschen klüger als zuvor.

Hallo Uller Rich,

du beschreibst das Chaos, wie es sich dem darstellt, der lange geschlafen hat, nun erwacht und feststellt, dass das Ringsherum ihm einfach nicht erklärlich ist. Es ist ein langes, chaotisches Gedicht, in dem du alles unterbringst, was greifbar ist. Eine Auswahl, um so etwas wie einen roten Faden ins Gedicht zu bringen, vermisst man, und das geht zu Lasten des Gedichts.

Technisch fällt mir auf, dass du des öfteren Binnenreime einsetzt. Nicht besonders empfehlenswert scheint mir das Goethe-Zitat am Anfang, sag es besser mit eigenen Worten. Das Gedicht verträgt nach meinem Eindruck entschiedene Kürzungen, denn nicht alles, was einem zum Thema einfällt, ist auch wirklich relevant für die Prämisse.

Priska

Lieber Priska,
ich kann allen Deinen Argumenten folgen. So hätte ich auch argumentiert, bis ich die Bekanntschaft des "Poetenschlamm" machte. Nach reichlichem Studium der Publikumsreaktionen kam ich dazu, es selber einmal auszuprobieren. Das ist ein Text, den man nicht lesen sondern hören sollte.
Alle Brüche der dichterischen Konventionen sind somit volle Absicht. Mir ist auch klar, dass diese Form (m.E.) hier nicht herpasst. Trotzdem dieser Versuch!
Danke für Deine Analyse.
LG Uller Rich

Hallo liebe Gabi,
das ist zu viel des Lobes. Es war nur ein bescheidener Versuch. Ich musste zuvor einiges im Kopf ausschalten (Regeln und Logik usw.) Ich nahm schon an 2 solchen Veranstaltungen Teil und konnte mit meinem althergebrachten Stil nicht punkten. Zuerst dachte ich, es geht gar nicht, doch nun komme ich dem wohl etwas nahe.
Die Könner haben Vorträge, die bis 3x so lang sind. Es lohnt sich jedenfalls, sowas mal zu besuchen. Für Solothurn dürfte es bei mir (noch) nicht reichen.
Danke für Deine aufmunternden Worte.
LG Uli

Lieber Thomas,
wie Du sagst, auch ich habe lange gezaudert und nun kann ich dem doch schon ein wenig abgewinnen. Nebenbei empfinde ich diese Art zu schreiben viel einfacher als bestimmte Regeln zu befolgen. Selbst die Aussage kann unter diesen Prämissen ein gewisses Maß an "Unvernunft" vertragen. Es muss nicht logisch aufbauen.
Ich werde weiter übern.
Danke für Deine Meinung und
LG Uli

Lieber Ulrich,
ich habe mir Deinen Slam gleich angehört, ohne ihn gelesen zu haben. Man muß ihn hören!
Ich hätte Dir sofort mein Votum gegeben, wenn ich Dich beim Slam gehört hätte.
Ich glaube auch, dass wir mit den dichterischen Regeln bei so einer Veranstaltung nicht weit kommen.
Aber wie sind hier die Regeln? Ich wüßte nicht, wie ich das definieren sollte.
Auf jeden Fall toll gemacht, mehr davon und stell Dich den Slammern! Du hast gute Chancen!

Liebe Grüße, Heidi

Liebe Heidi,
so viel Lob, das macht mich ganz verlegen. Trotzdem danke!
Ich habe schon etliche Beiträge derart gehört und dabei kaum etwas Schwaches gefunden. Im Gegenteil, die meisten fand ich sehr gut. Insofern relativiert sich mein Text. Es lohnt sich, dieser Gattung auch etwas Aufmerksamkeit zu schenken. ich war nach einiger Skepsis doch angenehm enttäuscht.
Ob es Regeln auch hierfür gibt? Sicher, doch hat sie bestimmt noch keiner definiert. Unsere klassischen Regeln werden z.T. auch überbewertet, es sei denn...
Mir genügt Gut und Schön ! Ha!
LG Uller

Hallo Uller Rich,

aha, das soll Slam sein, hättest du vermerken sollen. Aber auch Slam hat gewisse Regeln, wenn auch andere als die, die für Gedichte gelten, wobei ja Text und Vortrag gleichzeitig zur Begutachtung stehen, und ein geschickter Vortrag kann Schwächen eines Textes ganz gut kaschieren. Also auch nichts für Regelverächter.

Aber Slam interessiert mich nicht allzusehr, dazu ist er schon viel zu sehr kommerzialisiert und inhaltlich belanglos, die Protesthaltung ist völlig verlorengegangen. Mich interessiert viel mehr, wie du deine MP3-Fassung hier gepostet hast. Könntest du mir dazu einen Tipp geben?

Priska

Lieber Ulrich,
die "Schlamm"-Bewegung kenne ich überhaupt nicht und gestehe, ich habe kein Interesse daran.
Dein Gedicht, seine Vertonung und deine Antworten lassen mich jedoch aufmerken - soooo schlimm, wie ich dachte, scheints nicht zu sein.
Mir gefällt dein, ja, was ist es eigentlich? Ist es ein Gedicht? Nee nich? Ist es ein Lied? Auch nicht, oder? Was auch immer es ist, es hat einen sehr eindringlichen Rhythmus und kommt gut rüber.
Mich verwundert, wie viele Kleinig- und Großigkeiten du im Kopf hast .
Warum sollten deine Verse nicht hierher passen? Sie sind goldrichtig!
Mit großem Vergnügen gelesen!
Herzliche Grüße,
Heliane.

Hallo Heliane,
also erstens freut es mich, wenns Dia gefällt. Zweitens wundert es mich, dass Du dieses Genre nicht kennst. Was Du hier vone mia gelesen hast, ist mit Sicherheit nicht das Beste aus der Kiste. Du solltest da man reinschauen. Drittns weiß ich nicht, wie man das nennen Soll oder Haben? Es ist eben etwas Newes!
Es ist vermutlich aus dem RAP entstanden (Rhythmus und Poesie), also ist es auch singbar, doch eben nicht mit gewohnter Melodie sondern rezitativ.
Viertens dachte ich, dass die Rubrik "Zum Hören und Mitsingen" mehr musikalisch gemeint wäre. Kann also dort Blei-ben wos ist.
Danke fürs Reinschauen und Deine lobenden Worte!
Liebe Gruezze
der heute ma andere Ul(k)

lieber Ulrich

ich liebe und bewundere diese Poetry Slamer. Ich könnte sicher nicht so lange Texte auswendig lernen. Du hast sicher schon Julia Engelmann gehört. Ist sie nicht großartig.

Liebe Ilona,
Dein Kommentar freut mich - danke! Schaun wir mal, ob sich nicht vielleicht jemand diesem Genre anschließt?
Nur den Anfang ist schwer.
Den Link habe ich mir angehört - schön!!!
LG Uller

Liebe Gabi,
Deine Gedanken sind schon analytisch-philosophisch. Es gilt zu Unterscheiden nach Schönheit und Konvention. Schönheit ist nichts anderes als Gewohnheit - von der Emotion verinnerliche Ästhetik. Konvention ist ist mehr Ratio. Der erste Eindruck zeigt keine Regeln - Konfusion. Dem ist aber nicht so, was erst nach einiger Beschäftigung mir der Form deutlich wird. Es erforder ein anderes neues Denken. Diese Form ist nicht vom stringenten roten Faden begleitet, sie wirft vielmehr Fragmente in den Raum, die erst mit etwas Abstand zu erkennen sind und sich dann wieder zum Ganzen verbinden. So wie es bei einigen modernen Bildern auch der Fall ist. Dazu ein älteres Gedicht von mir:

Das Neue ist am Anfang hässlich,
die Menschen sind es nicht gewöhnt.
Doch später haben sie verlässlich,
sich mit dem Neuen ausgesöhnt.
Gewohnheit hat stets abgeschliffen
die Ecken jeder Hässlichkeit.
Auch Falsches wird sodann ergriffen -
man hält's für richtig mit der Zeit.

Die letzte Zeile drückt auch eine Gefahr aus, die darinnen steckt! Doch ist nicht das Werkzeug das Entscheidende sondern seine Anwendung.
Danke für Deinen Nachtrag! Auch ich bin ein "älterer" Dichter und durchaus in vielem sehr konservativ, doch anders, eben auch um Objektivität bemüht.
Der Mode zu folgen? Nein! Doch Neues ist immer eine Prüfung wert!
Einen schönen Sonntag
LG Uller