Wie kann ich frei sein, frei in allen Dingen, wenn ich doch sterben muss? Ich will doch leben! Wie kann der Tod dem Freisein mich entheben, wo mir ein Gott versprach, mich nicht zu zwingen?
Wie kann das blinde Schicksal mich mit Schlingen gefesselt führen, und mein freies Streben negierend, mich in seine Netze weben, mein Wollen brechen, lähmen meine Schwingen?
Trotz allem kann es meinem Geist gelingen, nicht vor Naturgewalten zu erbeben. Ich kann ganz frei das Müssen überschweben,
und was gefordert scheint, von selbst erbringen. Anstatt gefesselt am Geschick zu kleben, kann ich dem Schicksal gern das Seine geben.
P.S.: Ich hielt es bei diesem Thema für angebracht mich freiwillig der strengsten Form zu unterwerfen, die mir bekannt ist: Sonett mit zwei Reimen.
P.S.S.: Sanderling hat eine schöne Melodie für das Gedicht gefund, die ihr hier hören könnt, bzw. die Noten hier lesen könnt. Von Sanderling gesungen findet ihr das Lied HIER.
exemplarisch dafür, dass die Herausforderungen des Schiksals häufig übermächtig groß erscheinen, hast du es dir doppelt schwer gemacht, und dich selbst auch noch der strengen Reimform des Sonett mit zwei Reimen unterworfen. Das passt zum tiefgehenden, schweren Inhalt deines Gedichtes und ist eine dichterische Herausforderung. - Deine Fragen zu Beginn, über die Freiheit und den Tod, empfinde ich als Einstieg sehr gekonnt gewählt, bilden sie ja auch beispielhaft die Widerspüche ab, um die es im Leben und dem Glauben oft geht. Für mich war die Tiefe deiner Auseinandersetzung mit dem Thema fast körperlich spürbar, auch wenn die Worte in der Gesamtheit des Gedichtes doch so schlüssig wirken und wie von alleine aufs Blatt gebannt erscheinen. Doch so ist es bei dir ja nicht, sondern es ging dem sicher eine intensive innere Auseinandersetzung voraus.
In deinen beiden Terzetten, die geradezu ineinander greifen, findest du dann ganz hervorragende Worte:
"Ich kann ganz frei das Müssen überschweben, und was gefordert scheint, von selbst erbringen."
..und endest, als wäre es nicht das Schwerste überhaupt, leicht gesagt mit der völligen Akzeptanz des Schicksalhaften:
"Anstatt gefesselt am Geschick zu kleben, kann ich dem Schicksal gern das Seine geben."
Meine Hochachtung vor deinem besonderen Ergebnis zu dieser Aufgabe.
Lieber Thomas Ich bin begeistert und finde mal wieder kaum Worte vor diesem exzellenten Sonett. Gewiss werde ich es immer wieder lesen. Deine Frage und deine Antwort an Gott macht mich sprachlos und ich wäre froh so fest im Glauben zu sein. Den Worten der Bewunderung über dieses exzellent ausgeführte Sonett die Sanderling gefunden habe schließe ich mich sehr gerne an. Liebe Grüße Ilona
das Lob von euch beiden Vögelein erfreut mich sehr. Ich habe mit der Aufgabe in der Tat sehr gehadert und bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich Nietzsches Idee emotional nachvollziehen kann. Ich denke ein Punkt, den anna so schön mit dem Satz "liebe das Schicksal, denn es liebt dich auf seine eigene Weise" ausdrückt, habe ich noch nicht ganz verinnerlichen können, und kann es nur anklingen lassen, aber nicht so schön sagen, wie anna es tut.
auch ich bin hin und weg von deinem Sonett. Dieser strengen Form eine Leichtigkeit zu verleihen, das ist für mich ganz hohe Kunst und ich finde es sehr interessant, dass dein Schicksal quasi unausweichlich über die Form daherkommt, während "mein Schicksal" sich reimtechnisch wie Kraut und Rüben durchs Leben schlängelt. Und dann kommt diese Zeile: Ich kann ganz frei das Müssen überschweben,
und ich verstehe, dass ähnlich wie bei Oulipo Freiheit durch Struktur entstehen kann, dass wir selber unsere Haltung zu den Ereignissen des Lebens gestalten können so wie ein Komponist seien eigene Melodie findet.
Vielen Dank für diesen formidablen Lesegenuss.... Chapeau!
alles Liebe
anna a.
PS: auch ich habe immer noch nicht diesen Begriff "amor fati" wirklich durchdrungen und verstanden...
vielen Dank. Es ist schön, wie wir uns da ergänzen. Wahrscheinlich sollte die Aufgabe ja auch mehr die Beschäftigung mit dem Begriff anregen, als eine vollkommene Definition zu liefern.
schon früh saß ich heute am Klavier, denn dein Sonett musste ich in Töne setzen. Dabei empfand ich es noch einmal viel intensiver. Danke für dieses tolle Werk!
Noten; Instrumentalversion und Gesangsaufnahme findest du unten im Anhang. Ich schicke sie dir aber auch gerne noch einmal per Mail.
Liebe Grüße der Sanderling
Sanderling
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