Was wir erinnern

Dass ich mich noch erinnern kann,
wie's früher war, als Oma kam
und uns zum Abschied, jedem dann
'nen Heiermann, in unsre Hände legte.

Dass ich mich noch erinnern kann,
wie unser Milchmann Michels,
mit seinem Bully Samstags
vor die Haustür kam, und wir,
aus einem Tank, aus kreisrund blitzeblank
geputzten Edelstahl, zwei frische Liter Milch
in unsre Kanne zapften.

Dass ich mich noch erinnern kann,
an das Geräusch des Griffels auf
der Schiefertafel, und an das Bild:
tabula rasa, wenn dann mein Schwämmchen
alles hatte fort gewischt, zum Neuanfang.

Dass ich mich noch erinnern kann,
dass abends der Laternenmann,
mit seinem langen Stab das Licht entzündete,
für eine lange Nacht, bis dass er morgens kam,
das Licht zu löschen und sprach
bei alledem kein Wort.

Dass ich mich an Siglinde noch
erinnern kann, die Augenweide
meiner ersten Klasse, vor deren Gartenzaun
ich mittags schweigsam stand
und keine Ahnung hatte,
was in meinem Bauch grade rotierte.

Dass wir erinnern uns, an alles das,
was uns geschah und wir geschehen machten,
worüber wir zusammen lachten und mit der Zeit,
in mancher Einsamkeit auch weinten,
daß ist ein Glück. Auf jeden Fall davon ein Stück.

Dass ich mich irgendwann
nicht mehr erinnern kann,
das kann schon sein.
Dann bitte ich:
gedenket
mein.

© Sanderling