Erst jetzt, in der Dämmerstunde, finde ich deinen Namen. So schweige ich lange in dieser Ruhe, die unsere Träume von damals erwachen lässt. Kannst du dich erinnern? Gerade einmal zweihundert Meter von hier, im Pfarrgarten, trafen wir uns oft heimlich. Im mannshohen Gras suchten wir uns ein Plätzchen unter dem Kirschbaum. Stundenlang schmiedeten wir Zukunftspläne. Schließlich einigten wir uns auf den Kamin in der guten Stube und drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen. Du diskutiertest so lange, bis ich nachgab. Für mich war es eine schlimme Zeit, als meine Eltern mit mir fortzogen. Viel zu weit weg von dir. Schade, dadurch verloren wir uns zu schnell aus den Augen. Ich dachte all die Jahre noch oft an dich. An unsere ersten zaghaften und verbotenen Küsschen, unseren Schwur, uns immer zu lieben. Was verstanden wir schon von Liebe und dem Leben? Und doch, viele Jahre wartete ich auf einen Antwortbrief, auf ein Lebenszeichen von dir. Hast du nie meine Post erhalten? Nach meiner gescheiterten Ehe brachen die Erinnerungen an unsere unschuldige Kinderliebe erneut auf. Doch hatte ich nicht den Mut, an deine Tür zu klopfen. Überzeugt, ein Mann wie du, der hat eine nette Frau und Kinder.
Die Zeit vergeht.Es ist spät geworden. Ich komme wieder zu deinem Geburtstag, das verspreche ich. Ich bringe Kornblumen mit. So wie vor fast vierzig Jahren zu deinem zwölften Geburtstag. So viele hatte ich gepflückt, dass ich sie kaum halten konnte mit meinen kleinen Händen. Du strahltest mich an und wir breiteten sie wie einen Kranz um unser Geheimlager aus. Ja, ich komme wieder. Ich möchte dir noch so viel erzählen.
das ist ein schöner und interessant erzählter Text, der der Phantasie des Lesers etwas zu tun gibt, wie es meiner Meinung nach in guter Prosa sein sollte. Mir fehlt nur ein wenig das Gegenüber - zu einer Begegnung gehören ja mindestens zwei. Er könnte doch eine Andeutung machen, bzw. es könnte eine Reaktion des erzählenen Ichs darauf geschildert werden, wodurch eine interessante Wende eingeführt werden könnte, die (über das versprochene Wiedertreffen hinausreichend) eine künftige Dramatik erahnen lässt. Vier, fünf Worte reichten vielleicht aus.
ZitatErst jetzt, in der Dämmerstunde, finde ich deinen Namen. So schweige ich lange in dieser Ruhe, die unsere Träume von damals erwachen lässt. Kannst du dich erinnern? Gerade einmal zweihundert Meter von hier, im Pfarrgarten, trafen wir uns oft heimlich.
Er kann nichts mehr erwiedern, sie steht vor seinem Grab.
obwohl ich gerade vor zwei Tagen etwas sehr ähnliches geschrieben habe, bin ich nicht drauf gekommen. Vielleicht lenkt das Wort "Begegnung" doch etwas zu sehr in eine andere Richtung. Es ist ja eigentlich keine Begegnung (zwei Richtungen) sondern vielleicht ein Wiederfinden, Erinnern...
Ich hatte das mit dem Grab allerdings auch nicht begriffen, aber die Unschuld einer solchen Kinderliebe und das dem Kindsein häufig durch ein plötzliches Ereignis entrissen werden, das war beim lesen ganz präsent und hat viele Bilder in mir hochgespült ...
Vielen Dank für diesen wehmütigen Exkurs in die Vergangenheit , ohne die Gegenwart und Zukunft nicht das wären , was sie sind.
ich denke doch, auch am Grab gibt es Begegnungen. So wie es trefflich Anne beschreibt. Begegnungen mit der Kindheit, Begegnungen mit der Unschuld. Als ein nur erinnern würde ich es nicht bezeichnen.
jetzt will ich dir ein Lob schenken, kann es aber kaum in Worte fassen. Der Text ist gerade deshalb so klasse, weil er so weit mitnimmt, dass innerhalb kürzester Zeit, der Beginn der Geschichte verblasst. Du machst mit deinen Worten lebendig, das ist doch mal ein Lob!
Ich glaube die Grammatik verlangt ‚einen Jungen‘, aber da bin ich kein zuverlässiger Ratgeber.
wie schön diese Geschichte nach so langer Zeit selbst wieder zu lesen. Ich habe diese Geschichte so stehen lassen wie ich sie erlebt hatte. Ich glaube lieber Derolli, dass macht sie dann auch so lebendig. Und viele von uns haben diese Kinderliebe erlebt, diese noch so reine kindliche Liebe. Der Junge noch dem ich hier berichte war meine erste große Liebe und als ich durch einen Lehrer von seinem Unfalltod erfuhr wollte und konnte ich es nicht glauben bis ich auf dem kleinen Dorffriedhof sein Grab fand. Vielen Dank für Dein liebes Lob. herzlichst Ilona Ps. den Fehler habe ich bereinigt
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