Mein Mut ist mir betrübet gar, Das hört man an meim Singen, Mein Augen sehen hier und da, Mein Freud will mir zerrinnen. Mein Herz, das trauert inniglich Von großen Seufzern klagend sich. Untreue binget mir viel Leiden.
Die Lutherstrophe teilt sich beim Lesen in zwei Teile, fast so als wären der vierzeiligen Volksliedstrophe im Kreuzreim noch drei Zeilen angehängt worden, von denen die ersten beiden im Paarreim stehen und die dritte sich nicht reimt oder den Reim der zweiten und vierten Zeile aufnimmt. Die Strophenform ist natürlich nicht so entstanden, es ist eine sehr alte Form, die seit dem Mittelalter in Volksliedern vorkam. Das einleitende Beispiel stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde im Lochamer-Liederbuch schriftlich überliefert. Ich habe den Text der besseren Lesbarkeit halber in moderne Schreibweise übertragen.
Obwohl diese Strophenform lange vor Martin Luther existierte, trägt sie zu Recht den Namen "Lutherstrophe" denn Luther hat diese Form in seinen Kirchenliedern häufig verwendet und so bekannt gemacht, dass verschiedene Lieddichter sie aufnahmen und bald hunderte von Kirchenlieder in dieser Strophenform geschrieben wurden.
Psalm 130
Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist viel mehr Gnaden. Sein Hand zu helfen hat kein Ziel, wie groß auch sei der Schaden. Er ist allein der gute Hirt, der Israel erlösen wird aus seinen Sünden allen.
Martin Luther
Die siebenzeilige Strophe ist jambisch und beginnt mit vier Zeilen von denen die erste und dritte vierhebig ist mit männlicher Kadenz und die zweite und vierte dreihebig mit weiblicher Kadenz. Dann folgen zwei vierhebige Zeilen im Paarreim mit männlicher Kadenz und die Schlusszeile, diese ist, wie die zweite und vierte Zeile, dreihebig mit weiblicher Kadenz, sie nimmt manchmal den Reim dieser Zeilen auf, oft ist sie jedoch ungereimt. Bisweilen ist die Schlusszeile jedoch auch vierhebig.
Durch die Kirchenmusik wurde die Lutherstrophe dann auch in weltlichen Gedichten so populär, dass sie im 16. und 17. Jahrhundert sogar zur am häufigsten verwendeten Form wurde. Doch schon im 18. Jahrhundert schwand sie immer mehr und wird heute kaum noch verwandt. Johann Wolfgang Goethe dichtet unter anderem sein bekanntes Gedicht "Der Sänger" in der Form der Lutherstrophe.
Was hör’ ich draußen vor dem Thor, Was auf der Brücke schallen? Laß den Gesang vor unserm Ohr Im Saale wiederhallen! Der König sprach’s, der Page lief; Der Knabe kam, der König rief: Laßt mir herein den Alten!
Dass die ehrwürdige Kirchenliedstrophe auch humoristische Züge transportieren kann, zeigt Joachim Ringelnatz in seinem Gedicht:
Das Mädchen mit dem Muttermal
Woher sie kam, wohin sie ging, Das hab' ich nie erfahren. Sie war ein namenloses Ding Von etwa achtzehn Jahren. Sie küßte selten ungestüm. Dann duftete es wie Parfüm Aus ihren keuschen Haaren.
Wir spielten nur, wir scherzten nur; Wir haben nie gesündigt. Sie leistete mir jeden Schwur Und floh dann ungekündigt, Entfloh mit meiner goldnen Uhr Am selben Tag, da ich erfuhr, Man habe mich entmündigt.
Verschwunden war mein Siegelring Beim Spielen oder Scherzen. Sie war ein zarter Schmetterling. Ich werde nie verschmerzen, Wie vieles Goldene sie stahl, Das Mädchen mit dem Muttermal Zwei Handbreit unterm Herzen.
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