Sieben Zicklein sehen rot!*

Herr Wolf hat Triebstau wiedermal,
und das bei Mondschein, welche Qual!

Die Knospen schwellen, hart und prall,
Frau Geiß ist wirklich ganz sein Fall!

Alleinerziehend, bitte sehr,
mit sieben Kids, was will man mehr...

Die sieben nebst dem Muttertier,
die wohnen Wolfshohl Nr. 4,

zur Miete, denn das Haus ist ihm,
auch Geld hat er ihr oft geliehn!

Und er fühlt, seine Wangen pochen vor Glut,
der Blutdruck steigt, es wallt das Blut...

Und blindlings reisst die Gier ihn fort,
er läuft des Nachts zu dem sündigen Ort.

Und er droht der Spröden mit Kündigung.

Aus Angst verliern die Geißlein Dung.

Die Geiß zickt auf mit stolzem Blick
und weist Herrn Wolf recht barsch zurück,

er könne ihr bieten, soviel er nur will.
Er langt ihr ans Euter, sie meckert schrill.

Die Geißlein umringen Herrn Wolf geschwind
und es stößt mit dem Kopf ihn das kleinste Kind.

Das sprang aus der Uhr, dort war sein Versteck,
und alle zusammen im Chor meckern keck,

umringen Herrn Wolf und singen ganz laut:
„Wir lassen nicht zu, dass der Wolf Mama klaut!“

Herr Wolf -zuvor gefühlt ein Bock-
bekommt hier seines Lebens Schock!

Bedrängt von sieben Geißlein, klein,
beginnt nun heulend aufzuschrein:

„Ich muss jetzt büßen meine Lust,
statt Ziegenbrust Vermieterfrust!“

Herr Wolf ward noch in derselbiger Nacht
von sieben Geißlein umgebracht!

*aus dem Wochenblatt „Ziege im Bild“

Lieber Carlino,

Märchen einmal anders. Mir gefällt die zweizeilige Aufteilung des Gedichtes, das unterstreicht das Brüchige der Beziehung zwischen der Zicke und dem Wolf.

Metaphorisch aus dem Leben gegriffen..

Liebe Grüße

anna a.

Lieber Thomas,

in der Tat hat da der Heinrich bei mir abgekupfert...

Liebe anna,

dieses kleine Sozialdrama, das ich hier in die übersteigerte Form des Märchens gebracht habe, war mir wichtig, da sowas wirklich passiert...übergriffige Vermieterl, igitt

Vielen Dank und viele Grüße aus Lüli
Karlheinz

Liebe Gabi,

eigentlich nicht zum Lachen, aber dann doch, so sind die Schauerballaden! Wenn mir das gelungen ist, bin ich’s zufrieden!

Herzlichen Dank und liebe Grüße aus Lüli, wo sich Sozialdramen ebenfalls zur Genüge abspielen, besonders in heruntergekommenen Objekten, wo menschliches Strandgut in Kleistwohnungen von gerissenen Vermietern ausgebeutet wird...
Karlheinz

Wie wahr, lieber Karlheinz. Und nicht nur dort findet sich das Grauen, sondern auch hinter den Klinkerbauten und den Vorgärten, in denen die Primeln Spalier stehen...

Liebe Grüße

anna a.

Lieber Karlheinz,
"fantasievoll mit Schuss", will ich deine Neufassung des Märchens mal nennen. Du hast dich selbst herausgefordert, schonungslos! Das Ergebnis ist sehr amüsant und lesenswertes Schauderkino.
Liebe Grüße
der Sanderling

Liebe anna,

genau, hinter sämtlichen Fassaden, auch hinter wohlanständigen Vorhängen...

Lieber Sanderling,

ja, Schauderkino im Gewande eines Märchens...

Lieben Dank euch beiden
Karlheinz aus Lüli

Liebe Heliane,

ihre Sprache beherrsche ich mittlerweile perfekt, doch die Interessen sind zu verschieden, als dass man sich verständigen könnte.

Das nicht durchgängige Reimschema hat damit zu tun, dass ich mich, wie bereits angedeutet, an Heines „Belsatzar“ orientiert habe, der ebenfalls mehrfach das Schema verlässt, um mehr Leben reinzubringen. Das geschieht bei mir in ähnlicher Weise im Mittelteil, dort, wo es um die eigentliche Handlung geht.
Ich meine, man muss nach mehrfachem Lesen nicht mehr ins Stolpern kommen, und es hat ja durchaus einen gewollten Beschleunigungseffekt.

Herzlichen Dank und total verregnete Grüße aus Lüli nach Berlin, dem wohl ein heftiger Wintereinbruch bevorsteht...
Karlheinz