Gibt es Gott, oder bleibt nur mein Sehnen?

Gelassen, nicht wie früher, suchte ich im Heute
den Gott, an den ich glauben will und glauben kann.
Befragte, forschend nach der Wahrheit meine Leute.
„Mein Jesus“, so die Mutter, „starb im Krieg als man

die Gustloff traf und ich die Todesschreie hörte.
Uns halfen weder Bitten noch ein Vaterunser.“
Ich las in ihren Augen, wie sie sich empörte.
Das Leid, es blieb und lebte fort als Lebenspanzer.

Verflucht von Gott, ertrug sie still ihr hartes Leben,
mein Vater fand den Schöpfer stets in Wald und Flur.
Dort war er ganz der schönen Lebenswelt ergeben,
er fühlte sich beschenkt vom Himmelssohn Natur.

Mit freien Geist geboren, wuchsen Zweifel, Fragen.
Den Hunger konnten weder Buch noch Weise stillen.
Auf einmal hörte ich mein Innres leise sagen:
ich nenn es Urvertrauen auch um meinetwillen.

Ich gehe ohne Ängste durch das bunte Leben
und spüre, Fremdes, Neues möchte ich entdecken.
Jetzt kann ich dir die weiche Kuscheldecke geben,
ich brauche mich vor Dir, mein Gott, nie mehr verstecken.


Erklärung:
Die Wilhelm Gustloff war ein Kreuzfahrtschiff der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude (KdF), das im Zweiten Weltkrieg als Lazarettschiff, Truppentransporter und Wohnschiff der Kriegsmarine eingesetzt wurde. Bei ihrer Versenkung durch das sowjetische U-Boot S-13 vor der Küste Pommerns am 30. Januar 1945 kamen mehr als 9.000 Menschen ums Leben. Nach dem Bericht meiner Mutter wurde ein Waisenhaus in Danzig mit etwa 80 Kindern von der Gustloff evakuiert. Sie hat später erfolglos nach Überlebende aus dem Waisenhaus gesucht. Sie wurde von einem Fischerboot gerettet.

Liebe Ilona,

leider ist es immer wieder so, dass der freie Wille des Menschen, auch der Wille zur Zerstörung und seine Folgen Gott angelastet wird. Wie wäre es wenn es den freien Willen nicht gäbe? Es wäre keinerlei Entwicklung und Geisteskraft vorhanden. Oder?
Wir sollten unser Böses Tun niemandem Anderen anlasten, so wie in der Geschichte von Adam und Eva, die beide ihr Handeln Anderen angelastet haben. Jeder Mensch ist nun mal selbst für seine Handlungen verantwortlich.
Und wo ist Gott? Ich denke wenn man seine Liebe verspüren will, kann man ihn auch in sich selbst und der Liebe Anderer wahrnehmen. So etwas lese ich auch in Deinem Gedicht, in dem Du ebenso deutlich die Folgen davon erzählst, wenn man Gott das Leid anlastet, dass die Menschen sich antun.

Liebe Grüße, Heidi

Liebe Ilona, das gefällt mir sehr gut. Meine Oma hat nach dem Kriegstrauma der Flucht nie ihren Lebenspanzer abgelegen können. Für sie waren nicht nur zwei ihrer Kinder, sondern auch Gott gestorben. Dadurch hat sie leider auch nie Frieden gefunden, denn das geht nur wenn man verzeihen kann. Sie hat leider vor lauter Verbitterung, nicht einmal die wirklich Schuldigen an diesem Krieg erkannt. Die Idee ein Urvertrauen zu entwickeln finde ich gut, mir gelingt es nicht immer.

LG Heike

liebe Heidi,
vielen Dank für Deine Gedanken. Ich glaube nicht wie Du, dass die Menschen glauben der Krieg und die Zerstörung wird Gott angelastet. Aber ich kenne die Fragen dieser Generation sehr gut. Die Frage lautet: wenn Gott so allmächtig ist, warum mussten und müssen so viele Unschuldige leiden und sterben? Wo war Gott hat meine Mutter oft gefragt als sie von Alpträumen berichtete. Sie war damals 17 Jahre, als sie auf der Gustloff erhoffte gerettet zu werden. Ich glaube so ein Bild, so ein Traumata kann kein Mensch verarbeiten.

liebe Heike, ich kann erst als Erwachsene so langsam begreifen warum diese Kriegsgeneration und die Kinder der Kriegsgeneration diesen Lebenspanzer brauchten. Ohne ihn hätten sie nicht überleben können. Auch meine Mutter konnte nicht verzeihen. Meine Mutter sagte, Gott straft die Sünden bis ins dritte und vierte Glied. Sind wir nicht heute immer noch bestraft durch die Sünden unserer Urgroßväter?
herzlich Ilona

Liebe Ilona,
ich habe den Satz zu oft gehört, wie Gott dieses oder jenes zulassen kann. Natürlich sagen das nicht alle, das ist klar. Aber leider hat man uns den Gedanken eines strafenden Gottes zu sehr eingepflanzt, weil die Menschen so besser zu beherrschen sind, aber das hat mit Gott nichts zu tun.
Die Sache mit dem 3. und 4. Glied ist auch keine Strafe Gottes. Eher ist es eine logische Folge. Wie oft sieht man, daß das Fehlverhalten der Eltern ganze Ketten von weiteren schicksalhaften Folgen für Generationen nach sich ziehen kann. In der Familientherapie wird dies zum Thema gemacht, bearbeitet und auch gelöst. Das habe ich zu oft schon gesehen, als dass ich dies abstreiten könnte.
Für mich ist Gott Liebe, Licht, Glück und Vertrauen. Das wünsche ich von Herzen auch Deiner Mutter. Der Position deines Vaters kann ich mich deutlich besser anschließen.
Liebe Grüße nochmal,
Heidi

Liebe Ilona,
dein Gedicht und besonders deine Antworten werfen Fragen auf, die ich mir öfter stelle. Ich komme allerdings zu einem ganz anderen Schluss:
Woher wissen wir, was Gott ist? Wir stellen ihn uns als ein vollkommenes Wesen vor, aber was ich mir groß vorstelle, kann ich immer noch größer denken.
Gott als Ursache? Was am Anfang steht, ist selbst unbewegt, sonst stünde es nicht am Anfang. Aristoteles nannte es einen „unbewegten Beweger“.
Ist Gott ewige Materie? Es ist jedenfalls leichter, sich einen ewigen Gott zu denken als ewige Materie. Aber wenn alles eine Ursache hat, dann gibt es keinen Anfang der Materie und keinen Gott.
Die Welt ist entstanden, denn aus Nichts kommt nichts? Gottes Größe können wir mit unserer Vorstellungskraft nicht erfassen; er kann nicht erkannt, nur erfahren werden.
Gott ist absolut, ewig, wahrhaftig und vollkommen, unendlich und unergründlich Und weil er etwas unvorstellbar Großes ist, das nicht größer gedacht werden kann, muss er existieren.

Ihn für menschliche Missetaten verantwortlich zu machen, Sippenhaftung zu unterstellen, halte ich für nicht richtig und ziemlich naiv, ihm Gnade, Liebe … zu unterstellen, ebenso. Ich neige eher dazu, an den Urknall zu glauben .

Dein Gedicht schildert die Folgen des Gustloff-Unglücks. Es zeigt zudem deutlich die Folgen der Christianisierung für den Menschen.
Es liest sich für mich nicht ganz rund, vielleicht schaust du noch einmal drüber?
Herzliche Grüße,
Heliane.

Liebe Ilona,
der Mensch mac
ht sich mit naiven Wunschgedanken, ein Gottesbild, das nicht unseren Lebenserfahrungen entspricht. Es verwundert nicht, dass uns das Leben über einen Gott enttäuscht. Die Versenkung der Gustloff war ein Kriegsverbrechen, welches der Propaganda geschuldet war, die Hass auf das deutsche Volk erzeugte. Viele hatten die Absicht das deutsche Volk zu vernichten. Auf der Flucht und ihren Folgen sind 5 MillionDeen zivile Menschen gestorben. Dies wurde durch die Propaganda von wenigen Interessenten angeheizt und verursacht. Der Völkermord an Deutschen wird bis heute kaum erwähnt. Mir gefällt Deine Gottesfrage die auch einen mystischen Aspekt hat. Eine interessante und gute Aussage.

LG Hans

liebe Heidi
vielleicht wäre es besser gewesen man hätte die Bibel nie geschrieben und den Menschen ein gebäut. Denn als logische Folge von Verhaltensmustern über Generationen hinweg ist mir alles wahrscheinlicher.
Danke für Deine Wünsche, leider leben beide Elternteile nicht mehr.
liebe Heliane,
wenn ich Deinen Kommentar lese, liegen wir im Denken was diese Fragen betrifft sehr dicht beieinander.
Ich denke die Sippenhaftung wird Gott bereits im Testament unterstellt.

Zitat

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Es liest sich für mich nicht ganz rund, vielleicht schaust du noch einmal drüber?

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wenn Du einen Fehler gesehen hast, hilf mir bitte, Du weißt ja, je öfter man sein Gedicht liest, je blinder wird man für Fehler.
hallo Hans
danke für Dein Kommentar. Natürlich war die Versenkung der Gustloff ein Kriegsverbrechen, genauso wie jeder Krieg ein Verbrechen ist.

liebe Grüße Ilona

Liebe Ilona,

es sind die Worte "gelassen", "Lebenspanzer", "freierGest", "Urvertrauen" und "ohne Ängste", die mir dein insgesamt gelungenes Gedicht erschließen.

In der letzten Strophe müsste es m.E. "Fremdes" und "Neues" heißen, auch weiß ich nicht, ob hier in dieser Zeile die Kommata richtig gesetzt sind.

Liebe Grüße aus Lyli

Karlheinz

Gelassen, nicht wie früher Komma, suchte ich im Heute
den Gott, an den ich glauben will und glauben kann.
Befragte Komma, forschend nach der Wahrheit meine Leute.
"Mein Jesus", so die Mutter, "starb im Krieg als man Gänsefüßchen

die Gustloff traf und ich die Todesschreie hörte.
Uns halfen weder Bitten noch das Vaterunser."
Ich las in ihren Augen, wie sie sich empörte.
Das Leid Komma, es blieb und lebte fort als Lebenspanzer.

Verflucht von Gott, ertrug sie still ihr hartes Leben.Komma,
mein Vater fand den Schöpfer stets in Wald und Flur.
Dort war er ganz, kein Komma der schönen Lebenswelt ergeben,
er fühlte sich beschenkt vom Himmelssohn Natur.

Mit freiem Geist geboren, wuchsen bei mir Fragen.
Meinen Hunger konnten weder Buch noch Weise stillen.
Auf einmal hörte ich mein Inn'res leise sagen, kein Apostroph bei Innres; Doppelpunkt am Ende:
Das Urvertrauen nenne ich(s) um meinetwillen.

Ich gehe ohne Ängste durch das bunte Leben
und spüre, Fremdes, Neues möchte ich entdecken. Majuskeln
Jetzt kann ich dir die weiche Kuscheldecke geben Komma,
ich brauche mich vor dir Komma, mein Gott, nie mehr verstecken.

Die sprachlichen Hüpfer habe ich nicht berücksichtigt.

vielen Dank meine liebe Heliane für Deine Mühe.

Liebe Ilona,
welch eindringlicher Text, voller Geschichtsbezüge ist die hier gelungen. - Sehr schön, finde ich. Und durch die Frage nach Gott und dem Sehnen des Menschen, das gestillt werden will, und nicht enttäuscht, trägst du den Text durch die Jahrhunderte in die heutige Zeit.
Liebe Grüße,
der Sanderling

lieber Thomas, lieber Karlheinz, lieber Sanderling,
vielen Dank für eure Kommentare, Anmerkungen und Hilfe.
Ich habe gestern noch einmal über den Text gesessen und Fehler korrigiert.
Wenn ihr noch was findet, sagt es bitte
herzlich Ilona

Liebe Ilona,

gerade in den letzten paar Wochen bin ich Gott wieder sehr nahe gekommen und ich habe mich in der Not gehalten gefühlt. Aber ich kann auch verstehen, wenn man sich (nicht nur während des letzten Krieges) in der Welt umschaut, dass die Frage deiner Mutter auftaucht: Warum lässt er das alles zu?
Vor Jahren habe ich mich auch einmal mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt und ein Buch nach dem anderen verschlungen. Und für mich wollte nicht in den Sinn, dass "böse" Menschen nun für immer und ewig böse sein sollten. Das Leben ist doch ein Lernen und Weiterentwickeln und so bin ich dazu gekommen, dass die Theorie von der Wiedergeburt vielleicht eine Antwort sein könnte. Vielleicht entwickeln wir uns von Leben zu Leben weiter, vielleicht war ich in einem ganz früheren Leben auch so ein Mörderbiest. Und ich habe in diesem Leben schon sehr viel lernen können und trotzdem ist auch nach oben hin noch Luft und ich bin lange nicht so perfekt wie ich gerne wäre. Da braucht es vielleicht noch ein paar weitere dieser Leben. Das wäre meine Erklärung. So wäre es für mich zumindest logisch nachvollziehbar. Dann bräuchte auch niemand Gott die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Auf einer langen Zugfahrt saß ich mal zufällig neben einem Theologiestudenden, der während der Fahrt auf eine Prüfung über die Taufe lernte. So kamen wir ins Gespräch. Und er meinte, es gibt sowohl in der Bibel wie auch in alten Schriften der Christen Hinweise auf Wiedergeburt. Auch bin ich auf das Konzil von Konstantinopel gestoßen (ca. um 500 n.Chr.), dass durch Bannflüche der Glaube an eine Wiedergeburt verboten wurde.

Sorry! Jetzt habe ich dich mit meinen Gedanken zugetextet. Hatte ich schon erwähnt, dass mir dein Gedicht gefällt und dass ich es gerne gelesen habe?

Liebe Grüße
Clara

liebe Clara
ich kann mich mit der Wiedergeburt nicht anfreunden. Wir machen in einem Leben schon genug Blödsinn, das reicht für die Ewigkeit.
heute lass ich von einer Dichterin: ich werde nach meinem Tod ein Diamat.
Auch eine schöne Vorstellung.
Vielen Dank fürs Lob
herzlichst Ilona

Ja, liebe Ilona,

das glaube ich dir gern. Das Thema Wiedergeburt ist wirklich sehr umstritten.

Nur ob ich als Diamant enden wollte, am Ende so versteinert? Mag ich mir auch nicht so richtig vorstellen, dann doch lieber an Karlheinzens Strand bei den toten Dichtern. Aber, die Frage, ob es nun einen Gott gibt oder nicht und ob er nun gerecht ist oder nicht, wenn es ihn gibt, wird dadurch nicht beantwortet.

Liebe Grüße
Clara