Dir stockt der Atem. Sie erscheint! Du merkst, wo sie auch geht und steht, erstrahlt für sie das Rampenlicht. Wie sie den Kopf zur Seite dreht und huldvoll lächelnd spricht! Wie sie Begehrlichkeit verbreitet, mit jeder Geste, jedem Wort, mit ihrer Zauberkraft es schafft die Attraktion zu sein, die dich und andere betört. Sie fesselt deinen Blick – er würde, würde…
Doch plötzlich diese Hürde, sie stößt zurück, weil Dissonanzen sie heraufbeschwört, wie etwas, das fast ungehört sich in die Sinne zwängt, zum Überdenken drängt, dich zwingt, nun nochmals hinzusehen, zu fragen, ob des Kopfes Drehen nicht doch ein wenig eitel ist, ob du in ihren Augen nicht vermisst, was Leben ist und Leben spendet, ob nicht an ihrem Makeup endet, was Grazie von innen her nur spendet – dich zwingt, noch einmal hinzuschauen.
Dich packt das Grauen, denn plötzlich siehst du, siehst, wie aus der Haut, aus kleinen Rissen, Vergänglichkeitsermatten sprießt, ein Stoff, der Würmern Nährstoff schafft. Du siehst, dass eine Wunde klafft, die sich nicht übertünchen lässt. Sie ist Fassade, nur ein Rest von dem was einstmals war. Du merkst, die Augen sind sogar nur Fensterrahmen ohne Scheiben, die in Ruinen übrig bleiben.
Du stehst versteinert da verstehst nicht, was geschah. Du denkst zurück. War sie nicht einst das Glück, der Menschheit Ideal, die Hoffnung einer bessren Zeit? Ein Leuchtturm, der so zukunftsweit das Licht der Freiheitsfackel trug? So aufgeklärt und klug! Und selbst der Weltraum stand ihr offen! Vor kurzem war es noch, als es dich dünkte, dass sie sich ewig selbst verjüngte. Weil sie ein Ideal regierte, das allen Gleichheit garantierte. Es sagte, jedem sei gegeben das unveräußerliche Recht auf Leben, auf Freiheit und sogar das Streben nach Wohlstand und Glückseligkeit.
Es war einmal. So war das Hoffen. Der Glaube schwand, und mit der Zeit bestimmte alles Nützlichkeit und Pragmatismus und Kommerz. Das Ideal verlor das Herz. Es blieb die Hülle, die noch steht, die nur mechanisch weitergeht, weil die Vergangenheit noch treibt, was von dem Damals übrig bleibt; selbst der Kredit ist schon verspielt. Und ihr Verblassen gibt nun Raum für das, was einst der Menschheitstraum für überwunden hielt.
Hervor aus dunkler Geisterzeit, aus Gräbern, die schon überwunden geglaubt, erscheinen nun befreit Gespenster aus den schlimmsten Stunden der Menschheit: Dogmen, Hass und Krieg, von Fanatismus angefacht, und mit archaisch, wilder Macht sprengt Fundamentalismus seine Pferde mit Sichelwagen in das Feld, und keine Tugend auf die Erde, die diesen Ansturm hält.
Ach, während die Natur versteht, aus allem, was vergeht, eine Neues, Schöneres zu bilden, bleibt, was Kultur und Kunst geboren, wenn es zerfällt, für immer uns verloren, denn die Barbaren und die Wilden zerstören, reißen Stein für Stein der Menschheit Geistestempel ein.
Dir stockt der Atem. Sie erscheint! Du merkst, zwar strahlt noch Rampenlicht, doch siehst du ihre Seele nicht und keine Hoffnung mehr. Wer nahm die Zukunft, nahm das Licht? Du fühlst dich matt und leer und träumst, du könntest sie auf Rosenblüten betten, um sie durch Poesie zu heilen, zu erretten.
nun ich will Dir nur ein wenig auf Dein Gedicht antworten. Ein wenig, weil ich es mir sicher noch einige male durchlesen werde. Du hast Dir ein "großes Thema" erwählt. Ich meine, Du hast Amerika in sehr vielen Facetten dargestellt. Ich meine Du würdest eine größere Resonanz haben, hättest Du vieles kürzer gesagt. Aber Du hast den schiwriegeren Weg gewählt. Meine Hochachtung hast Du dafür. Ich denke in der Kürze liegt nicht immer die Würze. Dein Text hat soviel Poesie. Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, hat Miss Amerika soviel Poesie verdient?
Mir gefällt Dein Gedicht sehr. Ich hätte es gerne in der Rubrik Tagesgeschehen gelesen. Ich glaube es ist aktueller denn je.
ein riesengroßes Lob an Ilona, die sich durch dein Endlosgedicht gelesen hat! Ich habs oft angefangen und bin auf der Hälfte steckengeblieben. Warum? Weil, wie Ilona sehr richtig bemerkt, in der Kürze zuweilen mehr Würze enthalten ist. Nichts gegen deine Wortgewalt und die Bilder, die du präsentierst! Auch nichts gegen die vielen Gedanken, die dir durch den Kopf gehen - sie sind gut, bestens formuliert und wichtig. ABER: Dieses Werk ist in der Tat zu lang! Es klingt für mich wie eine Gebetmühle .
Nicht mein Ding, jedoch jede Menge Lob für diese Fleißarbeit . Herzliche Grüße, Heliane.
es freut mich, dass ihr das Gedicht, obwohl es so lang ist, gelesen habt. So ändern sich die Zeiten, Goethe, Heine und auch noch E.A.Poe hätten das als kurz oder nicht besonders lang empfunden, aber für die heutigen Erwartungen, die man an ein Gedicht stellt, ist es in der Tat lang.
Der Inhalt ist auch nicht sehr erbaulich, obwohl ich hoffe dem Leser eine diffuse Angst vor der Zukunft zu nehmen, indem ich die Bedeutung der Kultur aufzeige, in einer Situation wo mit Macht und Gewalt gegen die immer stärker werdenden fundamentalistischen Kräfte wenig auszurichten ist. D.h. die Lösung ist nicht kurzfristig, politisch, sie ist ungewiss, aber es gibt sie.
#5 | RE: Miss Amerika
06.01.2015 10:16 (zuletzt bearbeitet: 06.01.2015 10:19)
Klatschmohn
(
gelöscht
)
Lieber Thomas, ich habe das Gedicht jetzt erst entdeckt und Deine Verse voll Faszination gelesen und finde, dass das Gedicht nicht zu lang ist. Alles andere wäre eine Verkürzung, denn Du hast viele Facetten aufgezeigt und alles gehört zusammen. Du hast eine Entwicklung aufgezeigt und Gefühl ausgesprochen, an das sich Viele anschließen können. Du siehst die Rettung in der Kultur der Menschen? Hoffnung gibt es immer! Liebe Grüße, Heidi
vielen Dank für das verständnisvolle Lesen. Ja, es ist die einzige Hoffnung, welche leider die Machtmenschen am wenigsten sehen. Deswegen sind viel, die die Hilflosigkeit der Machmenschen insgeheim spühren, so verängstigt.
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