Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
1.Version
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Hoffentlich stört es dich nicht, wenn ich anhand dieses gelungenen Gedichts Schritt für Schritt verdeutliche, wie ich die Funktion des Zeilenumbruchs verstehe.
Wie ich an anderer Stelle sagte, gehe ich vom Ganzen aus.
Das Ganze:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Nun erlese ich die wesentlichen Umbrüche, welche ich der Einfachheit halber als "natürlich" bezeichne.
Der erste natürliche Umbruch:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Der zweite natürliche Umbruch:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Der dritte natürliche Umbruch:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Nun überleg ich, ob es begründete Umbrüche gibt, welche sich aus dem Gedankenfluss, der Folge der poetischen Bilder und der Tatsache ergeben, dass der Text eine poetische Verkürzung einer ansonsten prosaischen Aussage ist. Um nicht zu viel erklären zu müssen, füge ich die Begrünung einfach (als ob es ein fehlender Text sei) in Klammern an.
Der erste begründeter unnatürliche Zeilenumbruch:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und (sagt damit etwas über dich aus) ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Der zweite begründete unnatürliche Zeilenumbruch:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe (sehe nicht nur sondern erkenne) schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Nun bin ich bei dem Umbruch angekommen, wie du gemacht hast. Ich finde alles richtig und gut.
Da ich nun einmal dabei bin, spiele ich etwas weiter. Ein weiterer begründeter unnatürlicher Zeilenumbruch wäre nämlich:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich (müsste dir eigentlich etwas Antworten) entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Und schließlich würde ich "schweigend" noch streichen:
Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Hoffentlich bist du nicht sauer, dass ich dein Gedicht für die Erklärung verwendet habe. Aber es eignete sich so gut.
lieber Thomas vielen Dank für Deine Überlegungen. Die mir in meinen Überlegungen helfen. Dein letztendlicher Text hier zur Veranschaulichung.
ZitatWeder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe auf deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen.
Und ich gehe noch einen Schritt weiter. So sehe ich meinen Spaziergang jetzt: Weder du noch ich können die ganze Welt retten, sagst du und ich entgegne nichts. Sehe deine Ellenbogen, erst jetzt sind sie mir aufgefallen. ------------------------------------- Ich musste das "erst jetzt" in eine neue Zeile bringen. Es hat mich so erschreckt. Ich bin mir noch unsicher ob ich hier das Schweigen rausnehmen soll.
Zitatsagst du und ich entgegne nichts. Sehe schweigend auf deine Ellenbogen,
Es spricht auch ein Urteil über das lyrische Ich. Denn es schweigt zu dem Satz, "wir können nicht die ganze Welt retten", sie schweigt zu der Geste der Ellenbogen. Muss ich mich nicht fragen, warum entgegnet sie nichts. Müsse sie nicht voller Aufruhe protestieren? Glaubt sie auch ... Kann es sein, entgegen ihren Gedanken schweigt sie. Ich bin weiter am überdenken
ja anhand deiner Erklärung ist mir auch etwas klar geworden: Ich benutze manchmal Zeilenumbrüche, um bewusst zu verstören. Zum Beispiel lese ich den Umbruch nach Sehe als ein Innenhalten in der Betrachtung des Innen und des Aussen. Pausen sind wichtig, das kenne ich aus der Musik und bei den Off beats beispielsweise liegt die Betonung auch nicht da , wo ich sie vermute , sondern genau daneben. Das macht etwas mit uns auch bei Lesen. Es ist, als sei ein kleiner Schreckmoment eingetreten.
Und liebe Ilona, mir gefällt dein Gedicht auch sehr so wie es ist .
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen etwas erklären, was ich fühle. Vielen Dank euch übrigens für diese sehr konstruktive Auseinandersetzung zum Thema Zeilenumbrüche.
ZitatIch benutze manchmal Zeilenumbrüche, um bewusst zu verstören.
Nun muss ich nachfragen, meinst Du mit verstören sowas wie irritieren? Oder meinst Du mit verstören verunsichern? Hier komme ich mit Deiner Argumentation nicht klar.
Das Innehalten ist doch immer mit dem Inhalt verknüpft und kann durch Zeilenumbrüche nur verstärkt werden. Für mich sind Zeilenumbrüche immer dann wichtig, wenn ein Gedanke beendet ist. Schwieriger wird es wenn das Wort nicht trennen, sondern verbinden soll. Auch dort setze ich den Zeilenumbruch als Mittel ein. Ein Beispiel: NATURGEDICHT
(Reiner Kunze)
Die dinge hören nur, wenn du sie rufst bei ihrem wahren namen
Getäuscht sein will allein
der mensch
Er täuscht sich aus der welt hinaus, die dinge .... hier steht: der mensch bewusst in einer Zeile. "Getäuscht sein will allein der Mensch" lese ich. Ich lese aber auch " der mensch, er täuscht sich" Fazit: ein Zeilenumbruch steht nicht automatisch für den Beginn von etwas neuem. Er steht auch für die Verbindung zweier Gedanken. Hier noch etwas interessantes. Der Autor zeigt durch seine bewusste Kleinschreibung des Wortes Mensch, wie klein der Mensch in der Natur ist.
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