Am Brunnen vor dem Thore Da steht ein Lindenbaum: Ich träumt’ in seinem Schatten So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud und Leide Zu ihm mich immer fort.
Ich mußt’ auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab’ ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier findst Du Deine Ruh’!
Die kalten Winde bliesen Mir grad’ in’s Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!
Wilhelm Müller
Charakteristisch für die Volksliedstrophe ist Kürze, Einfachheit und fließender Rhythmus über einem jambischen Metrum und der obligatorische Reim. Die Zeilen sind kurz und enthalten höchstens vier Hebungen. Es gibt viele Varianten der Volksliedstrophenform, welche vor allem in der Romantik erfunden wurden. Wesentlich sind jedoch zwei Formen, deren Wurzeln bis ins Mittelalter reichen.
Die eine ist die vierzeilige Strophe im Paarreim aus vierhebigen Jamben mit männlicher Kadenz, deren Ursprung auf eine lateinische Hymnenstrophe zurückführt und über Kirchenlieder in die weltliche Lyrik kam. Ein Beispiel ist Joseph von Eichendorffs
Nachtlied
Vergangen ist der lichte Tag, Von ferne kommt der Glocken Schlag; So reist die Zeit die ganze Nacht, Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht...
Das einleitende Gedicht zeigt die zweite Form des Volksliedes, es handelt sich dabei um die Volksliedstrophe im engeren Sinn. Diese Strophe besteht aus dreihebigen Jamben im Kreuzreim mit abwechselnd weiblicher und männlicher Kadenz. Bisweilen werden in dieser Form auch nur die zweite und vierte Zeile gereimt, obwohl der Kreuzreim eigentlich passender ist. Die Wurzel dieser Form ist der Hildebrandston.
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