Hast du das Schloss gesehen, Das hohe Schloss am Meer? Golden und rosig wehen Die Wolken drüber her.
Es möchte sich niederneigen In die spiegelklare Flut; Es möchte streben und steigen In der Abendwolken Glut.
"Wohl hab’ ich es gesehen, Das hohe Schloss am Meer, Und den Mond darüber stehen, Und Nebel weit umher."
Der Wind und des Meeres Wallen Gaben sie frischen Klang? Vernahmst du aus hohen Hallen Saiten und Festgesang?
"Die Winde, die Wogen alle Lagen in tiefer Ruh, Einem Klagelied aus der Halle Hört' ich mit Tränen zu."
Sahest du oben gehen Den König und sein Gemahl? Der roten Mäntel Wehen? Der goldnen Kronen Strahl?
Führten sie nicht mit Wonne Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, Strahlend im goldnen Haar?
"Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, Im schwarzen Trauerkleide; Die Jungfrau sah ich nicht."
Ludwig Uhland
Die Romanze entstand im 14. Jahrhundert, vielleicht sogar schon im 10. bis 12. Jahrhundert, in Spanien und war eine volkstümliche Form. In der deutschen Dichtung wurde sie vor allem durch Johann Gottfried Herder heimisch, der die berühmte Romanze "Der Cid" ins deutsche übertrug. Für seine Romanzen verwendete Herder nach dem Vorbild des spanischen Metrums vierhebige Trochäen, meist Reimlos oder assonierend, wodurch er diese Form von der Ballade unterschied.
Die Romanzenstrophe wurde von den Romantiker begeistert aufgegriffen und verändert, indem Kreuzreime eingeführt wurden, so dass sich der Unterschied zur Ballade vermischte. Goethe verwendet z.B. die Worte Ballade und Romanze gleichbedeutend. Man kann sogar die den Kreuzreim tragenden Formen, "Suleikastrophe", mit abwechselnd weiblich-männlichem Endreim und die "Schenkenstrophe" durchgehend mit weiblichem Endreim als Sonderformen der Romanzenstrophe auffassen.
Heinrich Heine verwendete die Romanzenstrophe oft, und wie das folgende Beispiel zeigt, auch wieder ungereimt.
Der Asra
Täglich ging die wunderschöne Sultanstochter auf und nieder Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern.
Täglich stand der junge Sklave Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern; Täglich ward er bleich und bleicher.
Eines Abends trat die Fürstin Auf ihn zu mit raschen Worten: Dies "Deinen Namen will ich wissen, Deine Heimat, deine Sippschaft!"
Und der Sklave sprach: "Ich heiße Mohamet, ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, Welche sterben, wenn sie lieben."
Nach der Romantik kommt diese Strophenform im Deutschen nur noch selten vor.
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