Lieber Perry, ein Gedicht über das Dichten, so wie du es gerne machst, war sozusagen überfällig. Es gefällt mir. Mich beschäftigt dazu noch folgende Frage: denkst du auch ohne Punkt und Komma? Auch wenn sich die Frage vielleicht flapsig anhört ist sie ernst gemeint, denn bestehende Sinnzusammenhänge lösen sich ja nicht auf, nur weil Satzzeichen fehlen. - Bei Haikus setzte ich auch keine Satzzeichen, und es stimmt: es öffnet den Lesenden verschiedene Sichtweisen.
Hallo Sanderling, ich glaube, die meisten Menschen denken "ohne Punkt und Komma." Die Rechtschreibung kommt erst dann ins Spiel, wenn wir etwas möglichst unmissverständlich zum Ausdruck bringen wollen, was ja in vielen Bereichen menschlichen Tuns wichtig ist. Bei Lyrik als Kunstform sehe ich die Gewichtung anders, denn da sind die Worte mehr Anregungen oder Puzzelteile für die Leser sie auszuschmücken bzw. zusammenzusetzen. Danke fürs darauf Einlassen und LG Perry
ich teile diese Meinung, die ich von Rezensenten und Autoren schon wiederholte Male gehört habe, nicht. Ja, ich behaupte sogar, dass hier ein grundlegendes Missverständnis über Poesie vorliegt. Ich will begründen, warum ich das denke.
Poetische Werke beinhalten zwangsläufig eine gewisse Dunkelheit, denn sie sagen etwas, das sich nicht prosaisch klar ausdrücken lässt. Manchmal wird deshalb gesagt, sie sagen das "Unsagbare". In dieser Beziehung unterscheidet sich die Poesie übrigens nicht von wahrer Wissenschaft, die völlig "Neues" erkennt und mit "alten" Begriffen vermitteln muss.
Nun gibt es zwei Arten von Dunkel, ich möchte sie tiefes Dunkel und flaches Dunkel nennen.
Das tiefe Dunkel entsteht, weil der Autor das Unsagbare (seiner poetischen Schau) nur metaphorisch ausdrücken kann. Das Vermitteln durch eine Metapher, bzw. einer zielgerichteten Folge von Metaphern, ist zwangsläufig ambivalent, weil das im Wesen der Metapher liegt, welche sich nicht auf ein rational erklärbares Gleichnis reduzieren lässt. Die poetischen Formen helfen, dem Leser die Metaphern möglichst exakt zu vermitteln. Die tiefe Dunkelheit der "poetischen Schau" bleibt jedoch erhalten, weil sie in der Metapher gründet. Jeder Leser wird zwangsläuft ein anderes Bild erhalten, genau wie Wanderer aus verschiedenen Richtungen die ferne Stadt vor sich ganz unterschiedlich sehen.
Das flache Dunkel hingegen, wie man es in vielen Werken antrifft, entsteht dadurch, dass Worte in ungewöhnliche Zusammenhänge gesetzt werden und Sprachregeln so "frei" gehandhabt werden, dass der Leser nicht verstehen kann, was denn genau gesagt werden soll. Oft liegt dabei gar keine wirkliche poetische Vermittlung einer tiefen "Schau" vor, sondern nur ein Spiel mit den Worten und den Lesern.
Ich habe hier, nur um deutlich zu machen was ich meine, die Dinge in zwei Extremen dargestellt, die Wirklichkeit bewegt sich oft dazwischen. Aber ich frage mich, wenn wahre Poesie diese Dunkelheit ohnehin hat, wieso muss man durch Wort- und Schreib-Ambivalenzen Dunkelheit erzeugen?
Ich hoffe, meine Worte verleiten dich, darüber nachzudenken, obwohl es nur eine Minderheitsmeinung ist.
Hallo Thomas, danke für deine Meinung, obwohl ich tief bzw. flach dabei als eher wertend betrachte! Ich denke, es gibt viele Sichtweisen auf künstlerische Darstellungen. Was letztlich zählt ist für mich, dass beim Leser Interesse geweckt wird, einen Text näher wirken zu lassen. Vielleicht hilft der Vergleich mit einem gemalten Bild, dass mich dazu verleitet stehenzubleiben und es genauer zu betrachten. Die aufkommenden Fragen sind wohl ähnlich: -Was will der Maler/Autor damit aussagen? -Was löst das Bild/der Text in mir aus? -Gefällt mir die Farb- bzw. Textgestaltung? Es gäbe sicher noch weitere Beurteilungsgründe, aber letztlich entscheidet doch immer auch der emotionale Bezug. LG Perry
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