Der Teufel einst im Garten zu Gießen trieb sein Spiel, dort wo jetzt steht ein Kaufhaus, das mancher hat zum Ziel. Das Gärtchen ist vergangen, die alten Häuser auch, wo früher Kutschen fuhren, weht heute Dönerhauch.
Dort stand sie einst am Fenster, die Jungfrau, rein und schön und kämmte sich die Haare und ließ im Wind sie wehn. Der Teufel hat’s gesehen und sich verliebt versteckt im Garten bei den Rosen hat er sie erst geneckt.
Voll Lust hat er gesungen im Gärtchen unterm Baum, und später sanft ergriffen auch ihres Kleides Saum. Als sich die Lippen fanden in lauer Maiennacht, sieht sie des Jünglings Klumpfuß: zu spät- es ist vollbracht!
Die Jungfrau war geschändet, der Teufel kichert laut, den Ort, wo das geschehen, hat man dann überbaut. Die Gasse überdauert den Weltkrieg ruinös, dort spielt sich ab das Leben von Frauen skandalös!
Hier leben wie im Ghetto die Frolleins nach dem Krieg, und feiern mit den Amis das Wunder nach dem Sieg. Die Lüste sind Geschichte, die Gasse ist es auch, der Name ist geblieben, hier weht heut Dönerhauch.
Die Gasse mit dem possierlichen Namen existiert tatsächlich. Heute, nach dem Abriss der ursprünglichen Bebauung, ist nur ein kurzes Teilstück der einstigen Gasse der Gießener Altstadt erhalten, eine Sackgasse, die eher einer Hofeinfahrt gleicht. Nachweislich gab es hier wirklich ein Gärtchen, das einem Anwohner namens Deibel gehörte. Aus Deibels Lustgärtchen wurde im Volksmund Deiwwels und später Teuffels Lustgärtchen. Die Legende um den Ort herum, entstand meines Wissens erst im 19. Jahrhundert. In dem verrufenen Viertel um die Gasse wohnte bis Anfang der 70 er Jahre „Gesocks“. Hier waren auch zwei „Ammibars“, eine für Weiße, eine für Farbige, sowie eine Würstchenbude.
Lieber Karlheinz, deine rhythmisch klar gegliederte Ballade spricht mich formal und inhaltlich sehr gut an. Ich finde die Paarreime passen prima und die Geschichte erzählst du interessant geschrieben und in einer durchgehend gut gewählten Sprache. - Das gefällt mir gut und ist unterhaltsam. Liebe Grüße der Sanderling
ich finde die Ballade sehr gut und den Bezug zur Moderne gelungen.
Lediglich das wiederholte Wort "Dönerhauch" klingt mir zu prosaisch und bedeutungsschwach. Mir kommt in den Sinn stattdessen "Schall und Rauch" zu nutzen, was sehr passend aus Dr. Fausts Antwort auf die berühmte Gretchenfrage stammt: "Nenn es dann, wie du willst, Nenn´s Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen Dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsglut."
Teufel ick hör die trapsen!
Also vielleicht statt: "wo früher Kutschen fuhren, weht heute Dönerhauch." und "der Name ist geblieben, hier weht heut Dönerhauch." etwas wie: "die Kutschen samt der Menschen sind heute Schall und Rauch." und "und außer diesem Namen ist alles Schall und Rauch."
mich hat es geschaudert beim Lesen deiner Ballade und der Dönerhauch passte sehr gut dazu. Ich musste an das Schicksal vergewaltigter Frauen denken und mir lief es eiskalt den Rücken herunter bei der Selbstverständlichkeit, mit der sich der Teufel "dieser Frau bediente". Diabolisch.
nun ist vieles bereits gesagt und ich empfinde den "Dönerhauch" genau passend. Er suggeriert so einen Hauch Parfum, der zum Naschen und Schnuppern einlädt, verschleiert den klaren Blick, betört das Herz. Am Ende wird die arme Jungfrau vernascht und hinter all dem verbirgt sich ein plumper Döner, äh Teufel ...
ja, den Dönerhauch lass ich natürlich, denn er ist ja geradezu charakteristisch für den Wandel, aber auch gewissermaßen für die Kontinuität, denn von den an Buden angebotenen Bratwürsten zwischen Bars ist es nicht allzu weit zum Dönerverkauf in der Nähe von türkischen Barbershops und Shisha Bars.
Liebe anna,
die Frau im Gedicht war nur der legendäre Anfang des Missbrauchs. In der Nachkriegszeit lebten hier alleinstehende, alleinerziehende Frauen, die sich durch Prostitution über Wasser hielten.
Liebe Clara,
der Teufel war eben nicht plump, sondern galant und versteckte seinen Klumpfuß!
Euch allen herzlichen Dank für das Lob und liebe Grüße aus Lüli Karlheinz
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