Der weiße Schwan

Es flogen die Schwäne wohl über das Land
der Zarensohn griff schnell mit lockerer Hand,
den Bogen, den Pfeil und zielte genau.
Ein Schwänlein, das stürzt von der Himmelsau.

Der Zarewitsch wollte es töten sogleich,
doch schaut es so bittend, sein Gemüt wurde weich
und nahms in sein Zelt und legt es aufs Stroh,
entfernte den Pfeil und sein Herz wurde froh.

Zur Jagd ritt er wieder am Morgen darauf,
das Schwänlein stand leise als Mägdelein auf,
besorgte das Zelt und kochte die Speise,
bestickte sein Leinhemd und seufzte ganz leise.

Als Schwan legte sie sich aufs Stroh wieder nieder,
der Zarensohn kam etwas später dann wieder,
und wunderte sich über Taten und Gaben
und konnte sich nun an den Speisen froh laben.

Das gleiche geschah dann am Tage darauf,
und schließlich, da brach er nur scheinbar früh auf,
erspähte das Mädchen, sein Herz hat gelacht
und hat es zu seiner Gemahlin gemacht.

Und schließlich da wurde, nach fast einem Jahr,
ein Knäblein geboren mit weißblondem Haar.
- Bald zogen die Schwäne erneut übers Land,
und winkend hat sie den Vater erkannt.

"Ach du lieber Vater, ich habe ein Kind,
das ist ja so schön und so stark wie der Wind.
Ich wills nicht verlassen, doch schau es dir an.
Ich werde nun bleiben, hier bei meinem Mann“.

Dann sah sie die Schwester, die rief zu ihr nieder:
„Ach Schwesterlein flieg doch mit uns nunmehr wieder.“
"Ach Schwester, ach Schwester, ich hab doch ein Kind,
das ist ja so schön und so leicht wie der Wind.

Ich wills nicht verlassen, doch schau es dir an.
Ich werde nun bleiben, hier bei meinem Mann“.
Und schließlich da rief auch ihr Mütterlein:
„Mein Kind warum willst du nicht mit uns nur sein?“

Sie weinte „Ach Mutter, ich hab doch ein Kind,
das ist ja so schön und so zart wie der Wind.
Ich wills nicht verlassen, doch schau es dir an.
Ich werde nun bleiben, hier bei meinem Mann“.

Der Zarewitsch war schon ganz ängstlich geworden.
Die Schwäne sind weiter gezogen gen Norden.


Aus dem Russischen, nach dem Märchen : Der weiße Schwan

Liebe Heidi,

das gefällt mir sehr gut! Und in welch schöner Sprache du den Faden der Geschichte durch deine lange Ballade webst, ist gekonnt und bindet mich als Leser von der ersten bis zur letzten Zeile. Schönes Märchen, dass du da als Grundlage ausgewählt hast.
Frohe Weihnachten wünsche ich dir!

der Sanderling

Liebe Heidi, was für eine schöne Ballade. Wieso Menschen Schwäne töten müssen ist mir unklar, aber ich glaube in manchen Ländern werden sie noch gegessen. Eindrücklich beschreibst du diese zauberhafte Verwandlung vom Schwan zur Frau und lässt gleichzeitig eine Wehmut und Sehnsucht nach ihrer Familie und dem Schwanenzug anklingen.
LG Heike

Lieber Thomas,

ja ich habe lange überlegt welches Thema ich nehmen soll, bis mir die russischen Märchen eingefallen sind. Ich freue mich, dass es mir gelungen ist, den Stil, den ein Märchen ausmacht rüber zu bringen.

Liebe Grüße, Heidi



Lieber Sanderling,

ja, die Märchen haben eine ganz eigene Sprache und ich freue mich sehr, dass Dir mein Märchen gefallen hat und ich Dich in die Geschichte hereinziehen konnte.

Liebe Grüße, Heidi



Liebe Heike,

ich verstehe das sinnlosen Tiere töten generell nicht. Menschen können wirklich ziemlich blöde und dumm sein.
Ich übrigens sehr froh, dass Du den inneren Sinn des Märchens hier erkannt hast. Super!

Liebe Grüße, Heidi

Liebe Heidi,

auch mir gefällt Deine Märchenballade! Ein kleines Problem habe ich mit dem "Zarwitch", ich meine korrekt wäre Zarewitch, aber dann gibts wohl Betonungsprobleme.
Sehr gerne gelesen und in Märchenwelten versunken!

Herzlich Karlheinz

liebe Heidi
ich liebe dieses russische Märchen. Deine Ballade bleibt märchenhaft und darum bleibt die Mystik erhalten.
Das finde ich besonders schön.
Eine sensible Geschichte von der Sehnsucht nach der Familie und der Pflicht und auch dem Verlangen selbst eine Familie zu gründen.
Ich stelle mir bei diesen Märchen dann immer die weite des Landes vor. Wie oft sind Mädchen die heiraten vom elterlichen Hof gegangen und wussten, sie werden ihre Familien nie wiedersehen.

herzliche Weihnachtsgrüße
Ilona

Liebe Heidi,

Du hast aus dem russischen Märchen eine schöne Ballade gemacht, was Dir sehr gut, auch mit dem passenden Dialog, gelungen ist. Mit der Aussage wird deutlich, dass die Bindungen welche auf eine Zukunft deuten, stärker sind als die auf die Vergangenheit. Die Paarreime sind dem Lesefluss förderlich. Insgesamt ist Dir die Aussage mit dieser Ballade sehr gut gelungen.

LG Hans

Hallo Heidi,

das ist geradezu unverschämt gut geworden. Meinen Glückwunsch. Eine Ballade, die ich mir gut vorstellen kann, noch in 100 Jahren zu lesen.
Ich habe auch zwei Bände mit russischen Märchen. Sie haben ihren ganz eigenen Flair.

Liebe Grüße
Clara

Liebe Heidi,
ich stolpere ständig über deinen „weißen“ Schwan - für mich ist es ein Pleonasmus. Natürlich gibt’s auch schwarze Schwäne, die meisten sind jedoch weiß, nicht wahr?

Du hast dir eine sehr hübsche Nacherzählung ausgesucht. Vor vielen Jahren las ich auch mit großer Freude die russischen Märchen und war immer wieder von ihrer Kürze und präzisen Darstellung beeindruckt.

Deine Ballade ist flott geschrieben, hat aber kleine Schwächen. Ein paar davon zeige ich dir; vielleicht magst du sie umsetzen?
Die letzten Strophen rund um die Schwanenfamilie am Himmel erscheinen mir etwas gequält und in die Länge gezogen.
Herzliche Grüße,
Heliane.

Der weiße Schwan
S1 V2
der Zarensohn schnell, griff mit lockerer Hand, griff schnell, kein Komma

S2
Der Zarwitsch, der wollte es töten sogleich, Zarewitsch!
doch schaut es so bittend, sein Herz wurde weich schaute es
und nahms in sein Zelt und legt es aufs Stroh, er nahms ...
entfernte den Pfeil und sein Herz wurde froh. zweimal Herz?

S3 V4
bestickte sein Leinhemd und seufzte ganz leise. sein Leinenhemd, seufzte ...

S4 V1/V4
Als Schwan legte sie sich aufs Stroh wieder nieder, es, das MÄDCHEN/SCHWÄNLEIN
und konnte sich nun an den Speisen froh laben. erlaben

S6/V4
und winkend hat sie den Vater erkannt. das Mädchen - es!

S7/V4
Ich werde nun bleiben, hier bei meinem Mann“. ch bleibe viel lieber ... …

S10 V2
das ist ja so schön und so zart wie der Wind. leicht

S11
Der Zarwitsch, der war schon ganz ängstlich geworden. Zarewitsch!!
Die Schwäne sind weiter gezogen, gen Norden. kein Komma

Lieber Carlino,

danke für Dein „versinken“. Mehr kann ich mir nicht wünschen.
Ja klar, es heißt Zarewitsch, weiß ich auch. Aber ich habe mir die Freiheit genommen und das „e“ verschluckt. Ich muss mal meine russisch sprachige Nachbarin fragen, wie das Wort dort ausgesprochen wird und ob das Problem wirklich so erheblich ist.
Danke für Dein Lob.

Liebe Grüße, Heidi


Liebe Ilona,

ich habe noch ein altes Märchenbuch, das ich als Kind von Verwandten aus der DDR geschickt bekam.
Früher hatte ich kaum Zugang zu den fremden Geschichten, aber das hat sich jetzt verändert und ich lesen sie anders.
Ich danke Dir für Dein Einfühlen,

liebe Grüße, Heidi


Lieber Hans,

Du hast Recht, nur noch vorne geht das Leben weiter und man muss ständig bereit zur Veränderung sein, auch wenn es sehr schwer sein kann. Ich danke Dir für Dein Lob und freue mich darüber.

Liebe Grüße, Heidi


Liebe Clara,

ich freue mich sehr, dass Dir mein Märchen gefallen hat, ja die russischen Märchen sind irgendwie ganz anders und spiegeln eine, wie unsere Märchen auch, sehr bodenständige Lebensweisheiten.

Liebe Grüße, Heidi


Liebe Heliane,

vielen danke für Deine intensive Beschäftigung mit meinem Text, ich gehe die einzelnen Punkte auch gerne mal für Dich durch:
-Der Titel des Märchens ist „Der weiße Schwan“ und ja, es ist wohl eine absichtliche Betonung. Es hätte ja auch „ Die Schwanenfrau“ heißen können, aber in dem gewählten Titel schimmert für mich auch eine Bedeutung durch.
-Die Abfolgen der Wiederholung bei der Schwanenfamilie sind typisch für Märchen und das dreimalige Wiederholen des Verses auch. Deshalb gehört es dazu.
-Das mit dem „griff schnell“ werde ich umstellen, danke!l
-Zum Zarewitsch habe ich auch schon bei Carlino was geschrieben.
-Ja, das zweifache Herz…, ich weiß! Aber es geht ums Herz, mal schaun ob ich noch etwas anderes finde.
-Bei dem Leinhemd habe ich mir auch die Freiheit genommen, denn das „und“ erschien mir wichtig.
-Beim Mädchen denke ich mir doch, dass ich „es“ in weitere Abfolge, allerdings nicht innerhalb eines Satzes, als "sie" benennen kann. Finde ich sowieso übel, ein Mädchen als Ding zu betrachten.
-Ich weiß auch nicht, ob sie lieber bei ihrem Mann geblieben ist, aber auf jeden Fall bleibt sie beim Kind und da braucht sie ihn.
-Ist Dir aufgefallen, dass sie zu jedem etwas anderes sagt? Das hat seinen Grund.
-Ok, das das Komma im letzten Vers kommt weg.

Danke noch mal und liebe Grüße,
Heidi