Glaubt nur, ich lebte in der kleinen Welt, die ihr bewohnt und fast begreift, die sich durch axiomatische Systeme beschreiben und verstehen lässt.
Glaubt nur, ich sei euch einfach zugesellt, wie euer Hund, dem ihr das Futter bringt, vielleicht wie Gott auch, dem ihr opfern müsst, weil ihr den Ernst der Schöpfung flieht.
Glaubt nur, ich sei ein Blinder, so wie ihr. Zwar bin ich mit den Augen blind, doch sieht mein Nabel schon der Zukunft Strahl und meine Hände läutern Erz.
Bis in den Himmel, glaubt mir, reicht mein Baum und in die Hölle reicht sein Pfahl: Nichts teuflisches, das mir noch unbekannt, nichts himmlisches, das mir noch fremd.
Lieber Thomas, wie beginne ich nur? Fragezeichen in mir bestimmen die Wirkung deines "Lied des Schamanen" auf mich. Viele Male las ich dein Gedicht. Das erste Mal nur bis "axiomatische Systeme", dann verabschiedete ich mich und dachte, "neh Ralf, jetzt muss ich auch noch Recherche betreiben um dein Gedicht zu verstehen". Dann, in einem ruhigen Moment bis zu Ende. Dann oft. Es hinterlässt bei mir Unwohlsein bis Ablehnung und ein Gefühl der Apokalypse, die über uns schwebt. "Glaubt was ihr wollt!" oder als Frage: "Woranran können wir eigentlich noch glauben?" ist für mich im Moment die Quintessenz deines Textes. Und, je mehr ich mich auf mein belastendes Denken über deinen Text einlasse, desto häufiger kommen mir Gedanken an den jüngsten Giftgasangriff in Syrien in den Kopf. Jetzt schaue ich nur noch unter welcher Rubrik du es eingestellt hast. Sehr nachdenkliche, dennoch herzliche Grüße, der Sanderling
Lieber Thomas, da will ich auch ein kleines Statement geben, mir gruselt es allerdings beim Lesen und ich muss an einen größenwahnsinning gewordenen religiösen Führer denken, im Stile dieser Gruppen die in den USA kollektiven Selbstmord begangen haben und seltsamerweise auch an den Fritzel, der seine Tochter eingesperrt und mit ihr Kinder gezeugt hat, oder den Kampusch Entführer und den Typen aus Chile, Schäfer, mit der Colonia Signidat oder wie das heißt. Jedenfalls an einen Menschen, der an gnadenloser Selbstüberschätzung (die andere Seite und/ oder Ursache von Minderwertigkeitsgefühl) leidet und ich finde, dass Du damit vielen Schamanen Unrecht tust, die oft nur über eine gute Menschenkenntnis verfügen und die in Zeiten ohne Ärzte einen wichtigen Dienst geleistet haben. Liebe Grüße, Heidi
P.S. Hab nachgeschaut, Axiomatische Systeme sind nicht ableitbare, nicht beweisbare Denkansätze.
ich hoffe, der Schamane singt nicht von sich selbst, sondern ist nur Sprachrohr! Sonst hätten Sanderling und Heidi recht, mit ihren Assoziationen. Die Wiederkunft des ewig Gleichen, der Übermensch und Prometheus lassen grüßen.
Lieber Thomas, ja, mir heben sich auch die Zehnägel ab. Handelt es sich vielleicht um das Erwachen nach einem Albtraum, wenn die Wirklichkeit noch nicht angekommen ist? Ein äußerst unangenehmes Bild und eine dazu passende, unbehagliche Sprache; am Klang gibts wie immer nix zum Mäkeln . Gänsehäutige Grüße, Heliane.
ich bin überrascht, welche Bezüge euch in den Sinn kommen. Ich kann leider wenig dazu sagen, weil ich mir über das Gedicht selbst nicht ganz im Klaren bin, weswegen ich auch unsicher war, ob ich es überhaupt veröffentlichen soll. Es ist plötzlich entstanden, als ich über etwas ganz anderes nachdachte, und meine Einbildungskraft mir wohl weit vergangene Zeiten vorspiegelte. Ich war selbst etwas erschrocken, wie es plötzlich da stand. Es ist nicht angenehmen und ein gewisses Unwohlsein ist verständlich. Hoffentlich habe ich euch nicht zu sehr genervt.
Lieber Thomas, deine Antwort passt sehr gut dazu, welchen Weg sich die Lyrik und Prosa manchmal wählt, um uns mit uns selbst in Kontakt zu bringen. Du bist mutig, dass du dich trotz deiner Unsicherheit nicht abhalten liest es öffentlich zu machen. Nerven geht anders. Sei beruhigt! liebe Grüße, der Sanderling
danke. Ich bin schon so vielen auf die Nerven gegangen... Die Wege, die zu Gedichten führen, sind seltsam, und was dann entseht sind sicher Facetten von uns, oft aber auch Refexionen oder "Gegenbilder". Es ist interessant und macht Spaß.
Bis in den Himmel, glaubt mir, reicht mein Baum und in die Hölle reicht sein Pfahl: Nichts teuflisches, das mir noch unbekannt, nichts himmlisches, das mir noch fremd.
Mir macht so leicht nichts Angst, aber dieser Schamane den möchte ich mir lieber vom Hals halten. Brrrr.
meinst du ernsthaft, du gingest hier jemandem auf die Nerven?
Auch ich war eher irritiert ob des Gedichtinhaltes, habe ich doch wahrhaftige Schamanen als eher demütig und eingebunden in die Natur erlebt.
Dieser Schamane hingegen singt ein narzistisches Lied, insbesondere in der letzten Strophe tauchen für mich Überhöhungsphantasien auf. Solche selbst ernannte Schamanen gibt es zu Hauf auf Erden, nicht zuletzt als Politiker getarnt!
es sind interessante Aussagen, zu welchen mir folgendes einfällt:
Was von uns zu einem großen Teil verstanden wird ist die Welt unserer Wahrnehmung. Die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit und ihren Zusammenhängen ist uns unbekannt und kann deshalb nicht verstanden werden.
Es besteht eine Ordnung in der wir uns hoch einordnen wollen, aber vermutlich unter höheren Wesen (Gottwesen) in der unteren Hälfte einzuordnen sind.
Ich weiß, dass ich nichts weis, doch die Gefühle erahnen mehr als der Verstand. Der Körper kann vom Verstand geleitet Erforderliches und Schöpferischer schaffen.
Mit dem Glauben täuschen wir uns und erschaffen wir uns eine Phantasiewelt, die uns phsychisch stärkt und Hoffnung gibt, nicht selten aber auch Angst macht.
ich möchte euch allen für eure interessanten und offenen Kommentare danken. Ein gefühl der Angst ist tatsächlich beim Lesen des Textes sehr verständlich, und die Komentare von anna und Hans deuten auf sehr unterschiedliche Weise, wieso das so ist. Herzlichen Dank für eure Gedanken.
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