Vor meinem Fenster flimmerte der Tag in seinem grellen Sonnensternenleuchten. Es waren Stunden, so wie ich sie mag, bevor die Krähen laut den Herbst verscheuchten. Nun liegen Nebel auf dem Buchenhag.
Mein Sommerlachen im Gesicht erfror zu einer Totenmaske ohne Farben, als diese Welt ihr Lebensgrün verlor und meine Träume unterm Reif erstarben, als Zuversicht zu kalter Furcht vergor.
Vor meinem Fenster schwebt ein zarter Schnee, als wollte er den Boden nie erreichen. Die Flocken sind Gedanken, die ich seh, sind Wünsche, die dem Innersten entweichen. Die Kälte tut auf einmal nicht mehr weh.
Hallo Galapapa, auch dieser Text besticht wieder durch Deine poesievolle Sprache. Du verwebst Phantasie/Gefühlswelt/Wirklichkeit, was ich grundsätzlich sehr mag. Diesmal jedoch erscheinen mir einige Stellen zu gegensätzlich, als dass ich sie unter einen Hut bringen kann.
Das Werk steht in 'Natur', also gehe ich davon aus, dort soll der Schwerpunkt liegen. Die Aussagen, die sich mit der Natur befassen, sind ALLE sehr schön, bis auf das Sonnensternenleuchten, welches ich gerne von Dir erklärt hätte. Hier würde ich mir etwas leichter Verdauliches wünschen.
In S2 tauchst du tief in die Gefühlsebene ein, was noch gut nachvollziehbar ist - bis zur letzten Zeile. Hier trägst du mM nach zu dick auf, zumal ich mir unter 'einem Alb in gnadenlosem Darben' nichts vorstellen kann.
S3 ist exquisit, mein Highlight sind die Schneeflocken, die Gedanken und Wünsche in sich tragen. Die letzte Zeile finde ich nicht gelungen. Im Vergleich zu den vorangegangenen 5 Zeilen fällt sie extrem steil ab, die Aussage ist nicht nur diffus, sie ist mM nach gänzlich überflüssig.
Ich hab mich gründlich mit dem Text beschäftigt und fand, dass in jeder Strophe die letzte Zeile schwächelt. So hab ich sie einfach weggelassen. Und alles passte wunderbar. Auf die allerletzte Zeile würd ich in jedem Fall verzichten, denn: Die Kälte tut auf einmal nicht mehr weh... ist ein fulminanter Schluss, dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Alles, was danach kommt, verwässert diese starke (und auch endgültige) Aussage.
Mir fiel grad noch was auf und ein: Wenn du alle letzen Zeilen weglässt, 'reimumarmst' du jede einzelne Strophe und machst sie damit auch formal zu einer in sich geschlossenen Einheit, was mir als cleverer, zusätzlicher Kunstgriff und überaus attraktiv erschiene.
Sehr gern gelesen und Dir meine Gedanken dazu hiergelassen.
Wüstenvogel schrieb in einem Kommentar, weniger sei manchmal mehr, und er hat Recht! Ich empfinde die letzten Verse, wie Lailany auch, als nicht dringend erforderlich. Auch ohne sie gingen die wunderbare Stimmung und die sanften Bilder deines Gedichtes nicht verloren, ich empfände es sogar als stimmiger.
Liebe Lailany, erstmal danke für Dein Lob! Das Verweben von Phantasie, Realität und Gefühl entsteht dadurch, dass ich meine Texte in einem Schwung herunterschreibe und erst dann mich um das Handwerkliche kümmere. Es ist deshalb empfehlenswert, viele meiner Texte nicht zu "nüchtern" zu betrachten, sondern eher die Bilder, die entstehen sollen, einfach wirken zu lassen, denn Manches lässt sich nicht oder nur schwer mit realen Maßstäben, wohl aber mit dem Gefühl messen und erfassen. Danke natürlich auch für Deine Gedanken und die Kritik, auf die ich im Einzelnen eingehen werde: Das "Sonnensternenleuchten" ist nicht etwa, wie an anderer Stelle vermutet wurde, der Metrik geschuldet. Ursprünglich hatte ich "Sternenleuchten" formuliert, fand dann aber, dass der scheinbare Widerspruch "grell - Stern - Tag" zu schwer verständlich wäre und habe die Sonne eingefügt (wobei ich der Metrik wegen jeden zweiten Vers umschreiben musste). Die Sonne wurde hier absichtlich in den Rang eines Sternes gestellt, um gleich zu Beginn die beschriebene Welt aus dem Mittellpunkt zu rücken und ihr die für mich beruhigende und versöhnliche Stellung eines Sternes mit seinem Sonnensystem unter unzähligen zu verleihen. Darüber hinaus gibt diese etwas bombastische Wortkombination die gewaltige Intensität des Sonnenleuchtens sehr gut wieder, wie ich meine. Zum Vers sechs in der zweiten Strophe möchte ich folgendes sagen: Ich bin mit Leib und Seele Naturmensch und erlebe den Jahreszeitenwechsel in unseren Breiten als gnadenlosen Überlebenskampf jedes Jahr immer wieder. Das Ringen um Lebensraum zwang der Natur in der Evolution extreme Anpassungen auf, die jedes Individuum immer wieder an den Rand des Überlebbaren bringen. Uns Menschen erscheint das alles als Selbstverständlichkeit, doch wenn man einmal ein paar Blicke quasi hinter die Kulissen tut, dann erkennt man eben auch diesen Alptraum des winterlichen Darbens. Mit erinem Satz: Ich sehe den Winter mit anderen Augen als viele Zeitgenossen. Dass die Kälte den Seelenursprung des lyrischen Ich nicht erreichen kann, das sollte die Demut ausdrücken, sich mit dem Unabänderlichen zufrieden gegeben zu haben. Da ich diese Zufriedenheit in Form eines nicht mehr endlosen Strebens nach Besserem und mehr als Basis für ein Glücklichsein verstehe, ist gerade dieser Vers ein sehr wichtiger Abschluss, der für Dich "extrem abfällt", weil ich Dir damit diese Botschaft nicht verständlich machen konnte. Gleichzeitig hast Du mich nun allerdings in einen Zwiespalt getrieben, denn auch ich sehe natürlich den Gewinn in Form von Fünfzeilern. Unumstritten ist für mich zunächst die Tatsache, dass das Weglassen der letzten Verse dem Text nicht schaden würde, gleichzeitig sehe ich aber auch, dass die Konklusionen an den Strophenenden den Interpretierenden ein gewisser Weise einengen und auf meine Gedankenbahnen zu zwingen versuchen, was letzendlich der Verstädnlichkeit des Textes Abbruch tut. Das heißt, Du hast mich überzeugt und ich werde die letzten Verse streichen. Insofern war Dein Kommentar also ein sehr fruchtbarer, mit dessen Hilfe mein Gedicht gewonnen hat. Dafür nochmals herzlichen Dank und liebe Grüße! Galapapa
Liebe Medusa, natürlich hat auch Dein Kommentar, für den ich Dir danke, mich in meiner Entscheidung mit beeinflusst. Um meine Erklärungen nicht wiederholen zu müssen, erlaubst Du mir sicherlich, dass ich Dich auf meine Antwort an Lailany hinweise. Dort habe ich erläutert, warum ich die Verse nicht für überflüssig halte, dass ich aber auch die Vorteile des "Weniger" erkenne. Auch an Dich herzliche Grüße! Galapapa
Hallo Galapapa, danke für Deine ausführliche Antwort. Ganz allgemein zu Deinen Gedichten: dass sich die meisten Deiner Bilder mehr erfühlen, als lesen lassen, ist genau das, was mich an Deinen Texten anspricht. Das gibt mir als Leser den nötigen Freiraum zur Interpretation, sowie auch Inspiration. Zum Sonnensternenleuchten: dass es der Metrik wegen dastünde, daran hab ich nicht mal einen Gedanken verschwendet. Dazu bist Du zu wortfindig und um 6 Silben passabel zu bekleiden, dafür gäbe es hunderte Möglichkeiten. Meine Interpretation war, dass du die Sonne als Stern gesehen haben willst, sowie als Born alles Lebens, also da lag ich ja gut im Rennen. Mit Deinen Erklärungen zu den ursprünglichen, jeweiligen Schlußzeilen kann ich jetzt was anfangen, aber eben nur deswegen, weil Du's erklärt hast. Deine Bereitschaft, dem Leser den Spielraum nicht zu beschneiden, rechne ich Dir hoch an. Klar schreibt der Dichter in erster Linie für sich selbst. Aber zugleich ist es des Künstlers (Dichter, Maler, Musiker usw) Ziel und vllt sogar ein Stückchen Pflicht, seine Kunst in die Welt zu tragen, um andere daran teilhaben zu lassen, zu erfreuen, zu inspirieren. Dich in einen Zwiespalt zu treiben, war nicht meine Absicht. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass Dein Werk durch die Löschung profitiert hat, da es mM nach jetzt so viel mehr vermittelt und somit einen größeren Leserkreis anzusprechen vermag, ohne eine Erklärung von Dir erforderlich zu machen. Unser Austausch hat mich sehr gefreut.
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