Sternenklar

Lieber Sanderling,

so ähnlich werden die Ukrainer denken und fühlen. Es ist gut, dass in Liedern und Gedichten immer wieder auf das Grauen hingewiesen wird.

Zwei Anmerkungen möchte ich dennoch machen:

1. "Frühlingsschmerz" ist mir zu harmlos, mir fällt spontan "Seelenschmerz" ein.

2. Du schreibst:

So blutet manche Wunde
im wunderschönen Land,
die Gräber sich vermehren,
die Angst im Frühling rankt.

Mein Vorschlag:

So blutet manche Wunde
im wunderschönen Land,
wo Gräber sich vermehren
und Angst das Leben bannt.

So wären die verdrehte Satzstellung in Vers 3 und der unreine Reim "Land, rankt" ausgemerzt.

Und kannst du in das Lied nicht mehr Dynamik bringen? Ich stelle mir Ukrainer vor, die mit erhobener Faust dem feigen Agressor trotzen.

Liebe Grüße
Han

Lieber Han,

vielen Dank für deinen Kommentar, zu dem ich dir gerne folgendes antworte: ein Stilmittel, das ich im Umgang mit Lyrik anwende, weil es für mich zu ihrem Wesen gehört, ist, die Natur zu beseelen. "Frühlingsschmerz" ist für mich umfassender, bedeutet mehr als "Seelenschmerz", den ich eher dem einzelnen Menschen zuordne. Bei tagespolitisch motivierten Gedichten finde ich den Umgang mit lyrischen Metaphern schwer genug.

Deine Idee: "..wo Gräber sich vermehren", und "und Angst das Leben bannt" nehme ich gerne auf.

Zu deiner abschließenden Frage: Ich will es genau mit der Dynamik singen wie ich es tat.
Deine Vorstellung sei dir unbenommen, passt aber nicht zu mir.

Dazu gerne ein Zitat:

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Liebe Grüße
der Sanderling

Lieber Sanderling,

Zitat von Sanderling im Beitrag #3

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Deine Vorstellung sei dir unbenommen, passt aber nicht zu mir.

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lieber Sanderling

ein sehr eingängig wirkender Text durch die kurzen Zeilen.
Da wir befürchten müssen, dieser Krieg wird sich durch alle 4 Jahreszeiten ziehen, würde mir der Seelenschmerz auch besser gefallen.
Aber dem Dichter gehört das letzte Wort.
In dieser Strophe finde ich den Frühling wieder passender.
So blutet manche Wunde
im wunderschönen Land,
die Gräber sich vermehren,
die Angst im Frühling rankt.
....................................... die Angst im Frühling rankt - finde ich stark, denn sie schießt damit eventuell auch die nächsten Jahreszeiten ein.

Das nur mal kurz zu eurer Diskussion.
Ich befürchte, ganz Europa wird noch lange mit diesem Krieg zu kämpfen haben.
Noch stehen die Ukrainer an der Seite ihrer Soldaten.
Noch, so mein ganz persönlicher Eindruck aus den Gesprächen mit Ukrainern die in Kiel gestrandet sind, sehen sehr viele noch nicht was dieser Krieg aus Menschen machen kann. Ganz viele sagen mir; wir sind in wenigen Wochen wieder zu Hause.
Liebe Grüße Ilona

Lieber Sanderling,

an deiner Volksliedstrophe gibt es wahrlich nicht viel zu bemäkeln,
und Han hat schon recht, den Land und rankt reimen sich nicht wirklich,
aber wirklich Besseres fällt mir auch nicht ein:
Ein paar Versuche:
- Angst wächst in Frühlings Hand. (leider Doppelprall am Anfang)
- der Lenz bringt Angst und Brand
- Angst knüpft ihr bitt'res Band (leider wieder Doppelhebung, wo bei man sowas auch als Effekt nutzen kann)
ich geb's auf (im Moment)

Inhaltlich ist dein Text schlüssig und solide aufgebaut.
Dein Gedicht gefällt mir sehr gut.

Aber mit "Frühlingsschmerz" habe ich noch mehr Probleme wie meine
Vorredner, den es er gibt für mich überhaupt keinen Sinn, auch nicht als
Metapher. Welchen Schmerz soll so gesehen, der Frühling hervorrufen.
Wobei mir Seelenschmerz in diesem Zusammenhang auch nicht zusagt.
- trotz allem Leid und Schmerz

Liebe Grüße
Clara

Lieber Sanderling,

ein sehr eindringlicher volksliedhafter Hymnus, der ohne großes Pathos daherkommt und ohne aufdringliche Durchhalteparolen auskommt…
Mit dem Frühlingsschmerz habe auch ich Probleme!
Statt: „und Angst im Frühling rankt“ könnte man vielleicht passender „was euch gereicht zur Schand“ schreiben!?

Herzliche Grüße aus Samothraki
Karlheinz

Lieber Carlino,

danke für deine Worte. Was im Frühling rankt bleibt auch im Rest des Jahres anhaften. Angst ist etwas, was die Menschen noch für lange Zeit weiter beeinflussen wird, wie eine bittre Frucht. Deshalb möchte ich diese Metapher auch beibehalten.

Liebe Grüße
und danke nochmal für diese anspruchsvolle Aufgabe

der Sanderling

Liebe Ostseemöwe,
liebe Clara,

entschuldigt meine späte Reaktion. Ich wollte euch nicht übergehen. - Es scheint so zu sein, dass jede(r) von uns eigene Bilder gestaltet, die nicht unbedingt von jedem nachempfunden werden können.
So verhält es sich auch mit dem Bild "Frühlingsschmerz". Vielleicht zur Erklärung nur so viel: Frühling ist der Inbegriff des Erwachens von Leben; Krieg der Inbegriff von Leid und Sterben, also Schmerz. So geschehen die Dinge im Krieg also im Widerspruch zur Jahreszeit des Frühlings. Und der Krieg rankt sich durchs Land, wie sich Angst ausbreitet, nehmen die schrecklichen Ereignisse kein Ende.

Danke, auch euch beiden, für die genaue Auseinandersetzung mit meiner Volksliedstrophe / meinem Lied vom Krieg.

Liebe Grüße
der Sanderling