Vorbemerkung

Dieser Text ist eine Co-Produktion von anna a. und Thomas. Ohne unser Teamwork hätte der Text nicht entstehen können. Es hat uns viel Freude gemacht, und wir sind gespannt, was ihr davon haltet.


Maskenspiel

Auf der letzten Sommerparty hatte Jonas sein tailliertes Hemd mit farblich passender Corona-Maske getragen und von "Sarahs Shirt Shop" geschwärmt, der im Netz beste Bewertungen bekommen hatte. Dieser Laden hatte es ihm angetan, dort würde er sicher das ausgefallene Hemd bekommen, nachdem er schon so lange suchte. Die Nullachtfünfzehn Ware seiner Heimatstadt sprach ihn nämlich schon lange nicht mehr an.

Also machte er sich auf den Weg aufs Land, dorthin, wo die Bäume der Alleen zwar noch in Reih und Glied stehen, wo aber Fensterläden verrotten, Zäune einstürzen und kaum jemand mehr wohnt.

Es war kurz vor Ladenschluss. Der benachbarte Obst und Gemüsehändler sortierte seine Früchte für die Nacht wieder in ihre Kisten ein. Auf einer Bank am Ende der menschenleeren Straße saß ein Mann in seinen abgewetzten Mantel gehüllt und unterhielt sich mit seinem Mops, der röchelnd vor seinen Füßen lag.

Beinahe hätte Jonas den Laden, den er suchte, übersehen. Lediglich der bunte Schriftzug " Sarahs Shirt Shop" über dem winzigen Schaufenster deutete darauf hin, dass er hier richtig war. Das Türschild zeigte zwar CLOSED, doch die Tür war noch nicht abgeschlossen.

Beherzt trat er ein. Die Türglocke schrillte und Sarah konnte ihn aus dem Nachbarraum in einem Spiegel beobachten. Er war groß, durchtrainiert, und ihr gefiel, wie sich eine einzige Locke aus der sonst glatt gekämmten Frisur gelöst hatte und sich auf seiner Stirn kringelte. Als sie ihn begrüßte, fiel ihm auf, wie blass und zerbrechlich sie trotz ihrer Jugend wirkte.

Umso mehr irritierte ihn ihr barscher Ton: "Setzen sie die Maske auf! Hier ist Maskenpflicht!" Okay, er hatte die Corona-Maske vergessen, aber was sollte dieser Ton. "Was soll das?“ Die Dinger sind medizinisch sinnlos. Schützt nicht gegen Viren, stand sogar vor der Corona- Zeit auf der Verpackung solcher Masken." Sie musterte ihn einen kurzen Moment. "Es ist Vorschrift und was geboten ist, das wird gemacht, basta!"

Er holte tief Luft und spürte seine Halsschlagader pochen. Bedingungslosen Gehorsam lehnte er ab. Zu sehr hatte die Familie seiner Mutter darunter zu leiden gehabt. Also baute er sich in voller Größe vor ihr auf, spannte seine Muskeln an und fixierte ihre Augen: "So, Gebote sind unbedingt zu befolgen, basta! In der Bibel steht, die Frau sei dem Manne untertan, ist das etwa kein Gebot?"

Sie erschrak und wich einen Schritt zurück. Plötzlich jedoch umspielte ein Lächeln ihren Mund und ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, begann sie langsam, ganz behutsam den Knopf ihrer Hose zu lösen und sich in wiegenden Schritten auf ihn zu zubewegen. „Mit oder ohne?“
Damit hatte er nicht gerechnet. Sie schien seine Bemerkung tatsächlich ernst zu nehmen und er ließ sich von ihrem Zauber, der ihn schaudern ließ, einfangen.

Nachdem sie sich wieder angezogen und die Haare mit den Fingern einigermaßen in Ordnung gebracht hatte, küsste er sie ein letztes Mal lange und intensiv und ging danach Richtung Ausgang. Die Türglocke bimmelt erneut als er den Laden verließ. Trotzdem hörte er, wie sie hinter ihm murmelte: „Endlich! So ganz ohne und das, obwohl ich HIV positiv bin.“ Wieder trat dieses geheimnisvolle Lächeln auf ihr Gesicht, das nun etwas Farbe bekommen hatte.

Ihm wurde schwarz vor Augen, er hielt sich am Türgriff fest und schaute Sarah fassungslos an. Ohne ein Wort zu sagen, fummelte er die Maske aus der Tasche, streifte sie über Mund und Nase und rannte auf die Straße. Weg, einfach nur weg. Im Gemüseladen kippte eine Stiege mit Äpfeln um und der Mann auf der Bank rieb sich verwundert die Augen: "Jetzt rennen sie sogar schon im Freien mit Maske herum."

© Ralf Schauerhammer, anna a.

Liebe Gabi,

vielen Dank für deinen positiven Kommentar. Es ist sehr spannend etwas gemeinsam zu machen. Es ist wie Paartanz bei dem aus jedem Impuls eine gemeinsame Aktion wird.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Gabi,

lasst uns doch bitte mit den Nicknamen ansprechen. Ich würde auch gerne bei Thomas bleiben, denn es ist ja mein schöner zweiter Vorname, der ansonsten immer verborgen bleibt. Sanderling hat das Glück, diesen Namen als ersten zu führen, aber Sanderling passt zu ihm so gut, dass ich ihn gerne damit anrede, genauso geht es mit mit Ostseemöwe, was ich so schön finde, und vielen anderen...

Lieber Sanderling,

ich verstehe, dass du Maskengeschichten und auch der  Masken überdrüssig bist. Leider bestimmen sie unser Leben und soziales Verhalten in vorher unvorstellbarer Weise.

Natürlich fährt Sarah nicht auf Dominazgehabe ab, abgefahren ist sie auf ihn schon beim Blick durch den Spiegel, sonst hätte sie wohl einfach "Geschlossen" gerufen.

Die HIV-Sache muss hingegen notwendig überraschen. So ganz unvorbereitet kommt sie allerdings doch nicht, wenn du bedenkst, wie er sie am Anfang sieht und beschreibt.

Das nur als Erklärungen,  aber wie anna schon sagte, müssen wir überlegen, wie es noch präziser herausgearbeitet werden kann. Vielleicht klappt es ja.

Liebe Grüße
Thomas