Im Grunde bin ich nur ein Straßenspatz, bin heimatlos, mein Nest ist abgeräumt. Das hätte mir noch gestern nicht geträumt, dass mir am Ende bleibt nur dieser Platz.
Die Handvoll Vogel übersieht man gern, das graue Etwas in dem Straßengrau. Doch hört man das Geschilp vor Tag und Tau, weiß man, der kleine Vogel ist nicht fern.
Ich singe durch den wilden Stadtverkehr - was schert mich ringsherum denn all der Lärm, wenn ich die Herzen mit Gesang erwärm, halb ungewollt, fast nur so nebenher.
Hallo Priska, nett, ein Gedicht über den Straßenspatz zu lesen. Leider kommt trotz der umarmenden Reime keine Zuneigung, schon gar nicht die ihm nachgesagte „Frechheit“ herüber. S1: Bis auf die beiden verdrehten letzten Verse recht gut zu lesen. Frage: WER hat das Nest „abgeräumt“ und WO befindet sich „dieser Platz“? S2: Drei Mal „man“? „In dem“ (V2) wirkt gedrechselt und auf die Silbenanzahl getrimmt; Tschilpen, das „Ge….“ dürfte eine Eigenkreation sein; in V4 betonter Auftakt. S3: Spatzen „erwärmen“ nicht mit „Gesang“, wie mit dem Tschilpen in S2 richtig bemerkt wird. Deutlichere Bilder und mehr Sprachklang sind wünschenswert. Gruß, Heliane.
Zur Frage der "verdrehten Verse": Es handelt sich um eine Inversion, und zwar eine erlaubte, insofern, als ich betonen wollte "nur dieser Platz" (die Straße), zu welchem Zweck ich diesen Satzteil ausgeklammert habe. So nennt man das, wenn man den zu betonenden Satzteil "nachschiebt", damit er beim Lesen stärker ins Auge fällt. Eine völlig korrekte Vorgehensweise auf dem Gebiet der Stilistik.
Was das unbestimmte Personalpronomen "man" angeht, das habe ich dir zwar schon erläutert, will es aber gerne noch einmal tun: "Man" wird dann gebraucht, wenn man eine unbestimmte Personenanzahl meint - wie in diesem Fall. Und dass es sich dreimal nötig macht, ergibt sich aus dem Kontext. Wäre schön, wenn du genauso aufmerksam sein würdest beim Personalpronomen "ich". Aber das ist für dich sicher "normal"?
Mir widerstrebt es im Grunde sehr, in einem lyrischen Portal Rechtschreib- oder Interpunktionsfragen zu behandeln. Trotzdem empfehle ich dir einen Blick in den Duden, wo du für die Lautäußerungen des Spatzen sowohl die Schreibweise "schilpen" als auch "tschilpen" finden wirst. Übrigens nennt man (vielleicht außer bei Krähen) jede Lautäußerung eines Vogels üblicherweise "Gesang", bei mir singen Spatzen, wenn sie nicht gerade schilpen. Was aber "in dem" angeht, so stolperst du hier über eine korrekte Schreibweise, wofür ich aber verständlicherweise volles Verständnis habe. Was nun das "Geschilp" angeht, so verweise ich wiederum auf den Duden.
Dein Hinweis auf den betonten Auftakt in S2V4 ist ein Fall, der von der Literaturwissenschaft nicht eindeutig beantwortet wird. Denn das gesprochene Wort ist nicht identisch mit dem Metrum. Ein berühmter solcher Beispielsfall ist das Gedicht "Graue Stadt am grauen Meer" von Theodor Storm. Darüber entspann sich eine heftige Diskussion in Literaturkreisen, ob der Auftakt in seinem Vers 4 betont oder unbetont ist, und man entschied sich dahingehend, es dem Autor zu überlassen, ob er den Auftakt betont oder unbetont wissen will. Man kann also mein "weiß man" als Fehler werten, man kann es aber auch sein lassen. Ich wünsche das "man" betont. Es macht mir aber auch nichts aus, diesen Passus umzuformulieren. Ich danke dir, dass du mir Gelegenheit gabst, einen metrischen Sonderfall zu erwähnen.
Was nun den Sprachklang angeht, so ist er für mich nicht das A und O eines Gedichts, vor dem Klang steht für mich logischerweise immer der Inhalt. Und da es sich hier um ein unscheinbares Spätzchen handelt, wäre es geradezu verfehlt, würde ich hier raumgreifende Formulierungen einsetzen, die in keinem Verhältnis zum Sujet stehen, abgesehen davon, dass ich gewohnt bin, so gut ich kann, das treffende Wort zu benutzen. Und nun noch zu deiner Frage, was jetzt der Platz des Straßenspatzen ist - muss ich sie dir wirklich erklären? Was aber die "deutlicheren Bilder" angeht - das nächste Mal lasse ich den Spatzen auf einem Elefanten reiten. Der ist zumindest deutlich erkennbar.
Medusa, du wirst gestatten, dass ich zu deinem Kommentar eine kleine Anmerkung mache: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass deine Anmerkungen etwas an den Haaren herbeigezogen sind. Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt. Sollte ich mich aber irren, bitte ich um Verständnis, dann liegt nämlich die Annahme nahe, dass dir bestimmte Begriffe und Zusammenhänge nicht ganz klar sein könnten. Worum es sich bei dir handelt, das einzuschätzen liegt außerhalb meines Interesses. Du wirst es wissen.
Noch mal vielen Dank für die eingehende Beschäftigung mit dem Textchen.
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