Klage nicht, dass du in Fesseln seist geschlagen, Klage nicht, dass du der Erde Joch musst tragen. Klage nicht, die weite Welt sei ein Gefängnis; Zum Gefängnis machen sie nur deine Klagen. Frage nicht, wie sich dies Rätsel wird entfalten; Schön entfalten wird sich's ohne deine Fragen. Sage nicht, die Liebe habe dich verlassen; Wen hat Liebe je verlassen? Kannst du's sagen? Zage nicht, wenn dich der grimme Tod will schrecken; Er erliegt dem, der ihn antritt ohne Zagen. Jage nicht das flücht'ge Reh des Weltgenusses; Denn es wird ein Leu und wird den Jäger jagen. Schlage nicht dich selbst in Fesseln, Herz, so wirst du Klagen nicht, dass du in Fesseln seist geschlagen.
Friedrich Rückert
Das Ghasel ist eine sehr alte Form arabischer und persischer Dichter, die bereits aus dem 8. Jahrhundert stammt und im 12. und 13. Jahrhundert weite Verbreitung fand. Durch Friedrich Rückert kam das Ghasel nach Deutschland. Er übersetzte achtzig Ghaselen aus dem Divan von Hafis (das obige Gedicht die Übersetzung eines berühmten Ghasels von Mewlana Dschelaleddin Rumi), wobei er die Form so gelungen ins Deutsch übertrug, dass sie von andere dichter aufgegriffen wurde, vor allem von den Romantiker. Damit erfüllte sich der Wunsch, den Rückert hatte:
Die neue Form, die ich zuerst in diesem Garten pflanze, O Deutschland wird nicht übel stehn in deinem reichen Kranze. Nach meinem Vorgang mag sich nun mit Glück versuchen mancher So gut im persischen Ghasel, wie sonst in welscher Stanze.
Die Form des Ghasels besteht aus eine Folge zweizeiliger Glieder, wobei die zweite Zeile immer den gleichen Reim trägt. Dieser Reim wird in der ersten beiden Zeilen "angekündigt", welche beide auf diesen Reim enden. Es ergibt sich somit das folgende Reimschema: aa xa ya za…
Es ist kein besonderes Metrum für die Zeilen vorgegeben, deren Länge sogar unterschiedlich sein kann. Im Deutschen werden jedoch häufig vierhebige Jamben verwendet, es sind aber auch trochäische Zeilen und solche mit unregelmäßiger Füllung möglich.
Die Länge eines Ghasels ist nicht festgelegt, aber mit weniger als sechs Zeilen ist die Form nicht erkennbar, weswegen es mindestens sechs Zeilen haben muss. Es kann und darf jedoch beliebig lang sein, i.A. ist es aber nicht sehr lang, daher die Angabe von dreißig Zeilen.
Die Wirkung des Ghasels beruht stark auf der Wiederholung des Reimklangs, wobei auch Halbreime (Assonanzen), unreine und identische Reime verwendet werden können.
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