Große Fenster schenken Licht und meine Blicke können wandern. Ich muss warten. Wieviel Zeit verbringen wir im Leben wohl mit Warten? Aus der Vogelperspektive wirkt der Knotenpunkt des Nahverkehrs wie Kinderspielzeug, Leben vor dem Fenster, laut und grau. Wie Gespenster wirken Menschen hinter Kappen, die den Mund und Nasenraum verstecken. 'Herr Müller bitte ins Labor', tönt es durch den Raum. Ich bleibe sitzen. Auf der Fensterbank fängt Taubendraht mit Stacheln das letzte Laub des längst vergangnen Herbstes. Junge Tauben sitzen dennoch auf dem Baum vorm Fenster, Platz zum Brüten finden sie scheinst überall. Abseits vom Asphalt wächst zaghaft etwas Grün und Knospen bunter Krokusse versprechen Frühling irgendwann, doch jetzt noch nicht. - Ob die Grenzen zwischen Menschen einmal friedlich fallen, unser Lachen wieder Purzelbäume schlägt? Der Himmel ist noch grau verhangen, feiner Regen fällt ohn' Unterlass und färbt das Bild der Straße glänzend schwarz. Die Menschen huschen eiliger, den Blick gesenkt, von A nach B. Die Stadt ist anonym, von Werbeflächen lächeln fremde Menschen mir entgegen. Es tönt schon wieder durch den Raum ..ich bin jetzt dran und draußen fällt der Regen.
durch die Frage "Wieviel Zeit verbringen wir im Leben wohl mit Warten?" eröffnet der Text eine über die konkrete Situation hinausweisende Dimension: Das Leben als warten und Übergang.
ich danke dir für den hervorgehobenen Teil meines Textes und deiner Deutung. Daran ist für mich etwas wahrhaftiges. Der spontane Versuch einen Text zu schreiben, als Patient, dem eine lange Wartezeit vorausgesagt wurde, hat mir Spaß gemacht. Fast unzensiert nahm ich die Eindrücke hinter der großen Scheibe wahr und ließ mich vom Throchäus-Rhythmus einfach durch die Sätze führen. Dass unsere Gedanken dabei eigenständig Fragen entwickeln, war für mich eine überraschende Beobachtung.
das, was du bei deinem Schreibprozess beschreibst, nennen Schreibforscher "freewriting" oder "assoziatives Schreiben". Ich liebe diese Form des Schreibens, weil sie alles erlaubt und die Bilder so in einem aufsteigen können - unzensiert und nackt. Wichtig dafür ist die Zeitbegrenzung, die in deinem Falle offensichtlich durch die Wartezeit gegeben war.
Mir gefällt in deinem Text besonders diese Spannung zwischen dem Vorgang des Wartens, das heißt dem auf ein Ziel gerichteten Blick, und dem Hier und Jetzt, das du uns durch deine Beobachtung zum Beispiel der Tauben näher bringst. Ich musste unweigerlich an einen Satz von mir denken:
"Hallo," sagte die Taube zur Welt und umarmte sie...
In diesem Sinne danke ich dir sehr für das Kopfkino und freue mich auf weitere assoziative Texte von dir.
danke für deine wertschätzenen Worte zu meinem assoziativen Schreiben. Die Unzensiertheit der Gedanken hat wirklich ihren Reiz. Die Tauben grüßen dich!
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