hier nun soll eine Analyse deines Gedichtes folgen.
Titel: Aletheia
Die griechische Göttin der Wahrheit (tatsächlich bedeutet das zugrundeliegende Wort: Unverholenheit).
Strophe 1
V1
Zitat von Eremit im Beitrag #1Du Schöne bleibst mir stets ein Siegel -
Siegel stellt gleichzeitig ein Synonym für Wahrheit dar, (noch gebräuchlich in: darauf gebe ich dir Brief und Siegel - was bedeutet, das ist die Wahrheit). Da Aletheia von dem Gott Prometheus geformt wurde (treffender Weise aus Lehm, dem Element der Menschen und der Erde, die Götter jener Zeit hielten nicht allzuviel von der Wahrheit, weshalb es auch eher eine menschliche Eigenschaft darstellt), kann man sie wohl als "Schöne" bezeichnen, da die Form von Prometheus selbst als perfekt angesehen wurde. Als Übertragung kann dies andeuten, dass die Wahrheit stehts als positive Eigenschaft angesehen wird, als Schöner Charakterzug.
V2
Zitat von Eremit im Beitrag #1und zeigst dich nur verzerrt im Spiegel.
Was will der Autor hiermit sagen? Vielleicht, dass alles was nicht die Wahrheit ist, nie so gut sein kann wie diese. So wie das Spiegelbild einer Person, das zwar aussieht wie die Person, jedoch fehlen ihr alle Eigenschaften und der freie Wille, es ist eben nur ein Bild. Das könnte sich im erweiterten Sinn auf Notlügen beziehen, die zwar jemanden schützen sollen (z.B. hält man die Wahrheit für zu hart), aber spätestens wenn sie ans Licht kommen, wird das Trugspiegelbild offenbart. Eventuell will Eremit damit auch sagen, dass man bei der Suche nach der Wahrheit, sehr häufig die Lüge enttarnt, jedenfalls würde
V3
ZitatIch such dich dennoch immer wieder,
diesen Schluss zulassen. Eine andere Deutung wäre, dass Eremit tatsächlich der Göttin der Griechen huldigt und sich seine Vorstellung von ihr macht, aber weiß, dass selbst seine Fantasie (und ich kann nur sagen er hat eine blühende und ist einfallsreich ohne Ende - im positivsten aller Sinne gemeint, mein lieber Lehrer) der Göttin in Natura nicht gerecht wird. Das würde auch die nächsten drei Verse erklären:
V4,5,6
Zitatspür manchen Tag dich auch sehr nah und schenke dir dann meine Lieder, gleichwohl ich dich nie wirklich sah.
Da ich persönlich aber denke der Verfasser nutzt die Anlehnung an die Mythologie, um uns heute eine Tatsache zu offenbaren der wir uns nicht verschließen sollten, würde ich darauf tippen, dass der Sinn der ersten Strophe folgender ist: Jeder weiß, dass die Wahrheit, die einzige richtige Option ist. Doch immer wieder versagen wir darin bei ihr zu bleiben, vielleicht sogar aus verständlichen ("edlen") Beweggründen. Ganz sicher aber auch deshalb, weil die Wahrheit auch bedeutet, dass man sich Fehler eingestehen muss. Außerdem merkt man selbst nicht immer, wenn man einem Betrug aufsitzt, da man ihn eben für wahr hält.
Strophe 2
V1
ZitatDoch Dolos sieht dir leider ähnlich -
Dolos (der personifizierte Betrug) tritt auf den Plan, gemäß der Mythologie formt der eine Lehmstatur die Atletheia zum verwechseln ähnlich sieht. Hier weicht das Gedicht etwas von den Sagen ab, da hier Dolos selbst ähnelt, was unserem Verständnis von Betrug (oder Lüge) als Genteil der Wahrheit näherkommt, als das Bild der Antike. Dolos der Schüler des Prometeus, macht die Figur in Abwesenheit seines Meisters und versucht Atlethia nachzuahmen, was ihm auf den ersten Blick auch perfekt gelingt.
V2
Zitatman denkt nicht dran und das ist dämlich,
Ja, Betrug ist leicht mit Wahrheit zu verwechseln, das wird noch schlimmer durch die Tatsache, dass man selbst nicht genau hinschaut, da man das Gute annehmen will. Man ist "dämlich" wenn man nicht ständig alles hinterfragt - traurig aber wahr.
V3
Zitatverwechselt ihn mit dir, du Süße
Hier bleibt der Dichter bei seinem Bild, allerdings ist das doch ein wenig hart, denn Dolos als Dämon, kann ich mir nicht als liebreizende Wahrheit vorstellen, da sieht man, die ausgefeilte Fantasie von Eremit, denn auf der symbolische Ebene, losgelöst von der Vorstellung eines Dämons im Vergleich zu einer Göttin, kann man den Betrug eben sehr leicht mit der Wahrheit verwechseln. Delos bedeutet übrigens in unserer Sprache "List", das unterstreicht Eremits Argumentation, denn man wird ja willentlich reingelegt.
V4
Zitatund fällt auf deinen Bruder rein.
Hier sprengt der Vergleich, die griechischen Erzählungen völlig, denn wie bereits erwähnt, war Delos nicht der Bruder, lediglich seine Statur, jedoch ist diese Statur eben der personifizierte Betrug, also auch eine Form von Delos. Tsja, so ist das mit den Eternitäten, die machen was sie wollen.
V5
ZitatAch schaut‘ ich doch nur auf die Füße
Denn da hat der Ton nicht mehr gereicht und nur hier kann man die beiden Figuren voneinander unterscheiden. Der Betrug kommt am Ende eben raus, man könnte fast sagen, dass selbst die alten Griechen unser Sprichwort, Lügen haben kurze Beine, verstehen würden. Jedoch ist das glaube ich nicht wirklich der Ursprung des heutigen Ausspruchs.
V6
Zitatund widersetzte mich dem Schein.
wer wünscht sich das nicht, Betrug als solchen zu erkennen, nicht immer an den Folgen eigener Fehlentscheidungen knabbern zu müssen, sei das nun auf wirtschaftlicher oder zwischenmenschlicher Ebene.
Schema:
aabcbc ddefef vier Hebungen pro Vers, dem Reim entsprchende Kadenzenwechsel, unbetonter Auftakt
Kritik zum Metrum: An manchen Stellen muss man einen langen und damit natürlicher Weise eher betonten Vokal, unbetont lesen (Beispiel: S1V4 "spür" / S1V6 "nie"), jedoch ist das durch den Kontext sehr einfach umzusetzen.
Fazit: Dem Schreiber gelingt es eine alte Sage mit neuem Leben zu füllen, indem er diese in unsere Zeit transportiert und auf den Alltag anwendet. So sehr wir die Wahrheit auch lieben, bleiben wir aus den unterschiedlichsten Gründen, dennoch immer an der Lüge hängen.
Ich sage dir mitten ins Angesicht lieber Eremit - wundervoll!
das ist genau das, was ich auch oft bei den Griechen denke:
ZitatIch bin mir nicht sicher, ob Aesop ihn nur als böswilligen Daemon sehen wollte. Ich vermute, er sah ihn auch die Personifizierung des Unvollkommenen. Man könnte vielleicht auch sagen, wenn man Wahrheit als Synonym für Wissen betrachtet, dann wäre der Dolos entsprechend das Synonym für Nichtwissen.
Alle ihre Gottheiten, sind einzelne Aspekte des menschlichen Wesens. Der Dolos hat sogar erstaunlich viele verschiedene Aspekte. Er ist auch Schüler, geschickter Handwerker und seine Tat weist, wie von dir hervorragend herausgearbeitet, alle Schattierungen der Täuschung (willentlich, unwillenetlich oder einfach nur weil er sein Können beweisen wollte) auf. Solche Ausflüge in die antike Zeit, das hat was und ich harre weiterer.
ich sehe das eher so: wo Aletheia drauf steht, das ist eben auch Aletheia drinnen. Auf der anderen Seite ist das ganze so klar, wenn man die Griechen ein wenig kennt, dass es ja nicht wirklich als Rätzel durch ginge, wenn der Titel anders wäre.
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19.11.2013 14:31 (zuletzt bearbeitet: 25.05.2017 13:06)
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