Küss mich in die Mondenwelten
aus dem stillen Morgengrau
zeig mir, dass Gedichte gelten
als Nachtigall  im Regentau.

Schweig mir Wolken aus dem Herzen
in das Funkeln lichter Sterne,
leg mir Worte ein im Märzen,
damit ich meine Angst verlerne.

Trag mich durch die Lust der Lyrik
silbenklar und bilderbebend,
fühl mich neuewortbegierig
eingehüllt mit Sprache lebend.

Hallo Anna,

Dein Gedicht lebt von Übertreibungen und Paradoxien (Küss mich in die Mondenwelten ... Schweig mir Wolken aus dem Herzen ...). Ich selbst hätte alles klein geschrieben, da Du über Gefühle schreibst, so wäre das Gefühlsmäßige noch klarer geworden.

Das Wort: neuewortbegierig will mir allerdings nicht recht gefallen. Du hast es sicher des Versmaßes wegen so geschrieben? Mag sein, dass Du damit das Versmaß getroffen hast, aber mein Gefühl sagt mir: neuwortbegierig. (Auch Mondenwelten, statt: Mondwelten lässt mich zwiespältig zurück.) Ansonsten meldet sich aber kein ungutes Gefühl bei mir.

Grüß mir die Mondenwelten!

Wolfgang

Liebe anna a.,
als ich dein Gedicht las, empfand ich enthusiastische Gefühle, die vielleicht lediglich die Flügel waren, die aus deinem Text wuchsen. (Deine Sprache ist ansteckend, scheint mir)
Und, ich musste an Haikus denken, weil ich eigentlich kein einziges Wort einzeln betrachten will, sondern das bizarre Bild, voller Emotionen lesen und empfinden will, was insgesamt entsteht.
Schönes Experiment, voller sprühender Bilder. Gefällt mir!
herzliche Grüße,
der Sanderling

Lieber Wolfgang, Thomas und Sanderling,

Ich bin selber mit dem Begriff neuewortbegierig noch nicht ganz froh, habe mich jedoch reimtechnisch mit der Lyrik derart ins Aus geschossen, dass mir im Moment nichts anderes einfällt

Ich denke weiter nach.....

Übrigens arbeite ich im Moment an folgender Übung:

Assoziiere alles, was dir zu einem Begriff ( wie zum Beispiel Mond) einfällt und schreibe diese Worte auf.

Dann beschreibe diesen Begriff ohne eins der assoziierten Worte zu verwenden... Viel Spass wünsche ich euch damit....

Liebe Grüsse

Anna a.

Lieber Thomas,

ich bin immer ganz gerührt über die Mühe, die du dir machst, um einen weiteren Impuls für ein Gedicht zu geben. Dafür möchte ich dir an der Stelle einmal danken.

Deine Anregungen werde ich in mir bewegen, du weißt ja, manchmal habe ich Schwierigkeiten, mich von meinen Formulierungen zu lösen, dann schreibe ich das Gedicht lieber ganz neu oder lege es zur Seite und schaue es in 6 Monaten wieder an.

Was die Übung angeht, so habe ich nicht genau verstanden, was du meintest. Angenommen ich assoziiere frei zu dem Begriff Mond, dann würden hier folgende Worte stehen.:

Hell, Nacht , Neumond, voll, rund, verwunschen, verzaubert, Mann im Mond, Sichel, Dunkelheit, Sterne , Lied, schmachten, singen, klingen, Träume, Sehnsucht u.v.m.

Jetzt soll ich im nächsten Schritt den Begriff Mond verständlich beschreiben ohne eines der Worte aus der Assoziationskette zu benutzen. Das hat den Vorteil, dass ich gängige Worte in dem Zusammenhang vermeide und mir neue Bilder ausdenken muss. Mein Gegenüber soll dann mögllichst verstehen, dass ich den Mond umschrieben habe. Ich hoffe, so ist die Übung klarer.

Liebe Grüße

anna a.

Hallo Anna,

Gedichte haben ihre eigene Zeit, das ist die Qual und die Lust, die man empfindet, wenn man dichtet. Oft bleiben auch bei mir Begriffe und Wendungen hängen, von denen ich nicht weiß, ob sie mir helfen oder mich behindern. Dann brauche ich Zeit, um Abstand zu gewinnen. Übereilen hilft da wenig. Nimm Dir ruhig eine Pause, selbst wenn es ein halbes Jahr dauert oder länger. Ich selbst habe in einer Schublade Entwürfe liegen, die noch Zeit brauchen, ehe sie reif genug sind. Manchmal würde ich diesen Reifeprozess beschleunigen, aber da haben die Gedichte ein Wörtchen mitzureden. Das ist manchmal eine Bürde und manchmal eine Beruhigung - denn: schlechter geht es immer.

Übrigens: zum Thema Mond ist mir ein Haiku eingefallen. Wenn Du schon Vorschläge machst, dann haben sie Folgen!

frühlingshimmel -
in der pfütze des ackers
mondlicht


Einen geruhsamen Tag!

Wolfgang

Liebe Anna,

Ich habe Dein Werk gelesen und musste unwillkürlich lächeln. Lyrik ist vor allem Transporteur von Emotionen und dieses Werk "fühlt" sich gut an. Über die Epochen hinweg haben unterschiedliche Lyriker Formen und Motive entwickelt und jede Zeit hat ihren eigenen Stil. Ich glaube, dass viele Menschen, die sich nicht eingehend mit Lyrik beschäftigen, zunächst den Eindruck haben, dass Gedichte wortgewaltige Werke sind, die das normalsterbliche Wesen nicht im Stande ist zu schaffen. Und tatsächlich habe ich auch den Eindruck, dass manche lyrischen Epochen Neologismen oder grammatikalische Strukturen (bzw. die Durchbrechung dieser Strukturen) erfunden haben, die die Zeit überdauerten und in unseren Köpfen - wenn wir sie vernehmen - ausschließlich mit der Lyrik zusammenhängen.
Natürlich ist der Wert eines Gedichtes nicht darin zu bemessen, wie viel Pathos der Dichter in das Werk gequetscht hat oder wie viele halsbrecherische grammatikalische Expertise verarbeitet wurde - immerhin gibt es zahllose Beispiele für ausgesprochen brilliante wie nüchterne Lyrik. Aber es stimmt doch irgendwie schon, dass man den Wunsch hat, etwas Neues zu schaffen. Dass man teilweise begierig ist, aus den alten Mustern auszubrechen.
Und da sind sie dann, die Lyriker: "Begierig" auf dem Weg zu dem neuen Wort. Dein Gedicht vermittelt das. Es vermittelt den Wunsch, endlich von der Muse der Brillianz geküsst zu werden und sich endlich zu verewigen. Ich mag das Wort "neuewortbegierig" und ich würde es auch nicht in "neuwortbegierig" umändern wollen, kann Dir aber fast gar nicht sagen, warum ich das so sehe. Vielleicht weil es "das neue Wort" ist und nicht das "Neuwort". Es ist irgendwie so eine Gefühlssache.
Ich stimme @Thomas übrigens in der Hinsicht zu, dass auch ich glaube, dass die Dichter, die den in Deinem Gedicht beschriebenen Weg bestreiten, auf dem Holzweg sind. Die Kunst der Dichtung kann nicht darin liegen, den Leser mit neuen Worten zu beeindrucken und zu blenden, sondern er wird wohl darin liegen, das zu vermittelnde Gefühl verbal treffend zu beschreiben. Und manchmal ist weniger einfach mehr.
Jetzt habe ich wieder viel zu viel geschrieben. Vielen Dank für Dein Gedicht. Sehr gerne gelesen.

Amen
Ihre Eminenz