Das Haiku Ist kurz gesagt: Die wohl kürzeste Form einer Naturbeschreibung mit Tiefgang. Erfunden wurde diese Lyrikform im fernen Japan, wo sie sich aus dem allein gestellten Oberstollen des Tanka zur eigenständigen Gattung entwickelte. Die ersten eigenständigen Haiku entstanden im 16. Jahrhundert. Klassisch ist ein einzigartiger Naturmoment zu beschreiben, ohne dabei Metaphern zu verwenden. Vereinfacht gesagt: Beschreibe, was Du gerade siehst.
Ein Haiku besteht in der Regel aus höchstens 17 Silben die auf 3 Zeilen verteilt sind. Als Hinweis wird im englischen und deutschen Sprachraum 5 – 7 – 5 benutzt. Diese Regel sollte nur gebrochen werden, wenn es für den Inhalt unumgänglich ist. Wenn ich von Silben spreche ist es nicht ganz richtig. Ein klassisches Haiku wurde ja in Moren geschrieben. Die unterscheiden sich von unseren Silben besonders von der Klanglänge. Ohne zu wissentschaftlich zu werden, habe ich gelernt besonders auf die Vokale zu achten. In einer 7 silbigen Zeile sollten nie mehr als 3 Vokale verwendet werden (bei langen Vokalen nur 2), es sei, ich kann nicht anders ohne das gesehene Bild nicht zu verfälschen. Genauso ist es mit Zeilensprüngen. Nur im äußersten Notfall. Im englischen Haiku hat es sich eingebürgert mit Gedankenstich zu arbeiten um die Pause zu verlängern und dem Leser Zeit zu geben ein eigenes Bild zu entwerfen.
Mittlerweile jedoch gibt es viele Verfechter des sogenannten Freestyle, bei dem zunächst die Einhaltung des Silbenschemas, später auch die des Dreizeilers aufgehoben wurde. Des weiteren wird heutzutage der Naturbegriff deutlich weiter gefasst. Auch Dinge wie das kigo, das Jahreszeitenwort, müssen nicht mehr zwingend auftauchen.
Bleiben wir aber beim klassischen Haiku Ein Haiku soll leben und einen Augenblick einfangen. Der Leser soll die Möglichkeit haben nachzufühlen, was unausgesprochen, vielleicht sogar unaussprechbar, bei einem Haiku mittransportiert wird. Dabei kann er natürlich auch zu ganz anderen Ergebnissen kommen als derjenige, der das Haiku geschrieben hat. Ganz wichtig ein Haiku soll durch eine Kigo, einem Saison-Wort, die Zeit des Jahres zeigen. Einem Bauernkalender vergleichbar mit den Arbeiten, den Naturereignissen und dem Brauchtum die das Jahr zu bieten hat. In der alten Tradition des japanischen Haikus steht die Kirschblüte für Frühling. Der Bär für Ruhe und Winterpause. Die Mandarine für den Winter und die Reife des Alters. Das Haiku soll sich auf eine einmalige Situation beziehen, eine spirituelle Mischung, ein Erfassen eines Augenblicks in ihrer Natürlichkeit sein. Wobei eingeräumt ist, dass auch eine Erinnerung als gegenwärtig dargestellt werden kann. Der Kontrast zweier Aussagen/ Bilder ergibt oft die einmalige Wirkung auf den Leser, das Bild wird durchsichtig. Haiku ist im Wesentlichen eine Wirkung von Mischen oder Zwiesprache mit der Natur. Klassische Haiku waren und sind Naturbilder, Erlebnisdokumente, manchmal auch Spielform, Witz oder Gebet. Schon vor Shiki erscheinen im Haiku neben der Natur bzw. mit und in der Natur auch Kulturelemente aus Religion und Brauchtum. Gefühle wie Trauer und Liebe werden mehrfach erkennbar, wo Ich - Vokabeln wiederholt auftauchen. Gott und die Weltsicht im Haiku: Bedenken wir, Japan war lange Jahrhunderte eine isolierte Insel, es entwickelte sich erst spät aus dieser eigenständigen Kultur ein „Vermischen“ mit dem Europäischen. Dietrich Krusche, ein Schriftsteller der viele Jahre in Japan verbrachte und dort die Literatur studierte sagte:“ Als ich die ersten Übersetzungen von japanischen Haiku las, war ich fasziniert. Das, was mir an der europäischen/deutschen Lyrik Probleme machte, fehlte darin: die Gedanken über Gott und die Welt und die Herrschaft der „übertragenen Rede“, Symbole, Metaphern, Vergleiche usf. Der Kreislauf der Natur sagt etwas über die Einstellung zu Gott und ihrer Religion aus und doch lese ich auch solche Haiku von Boshos:
Sommergras ist alles, was geblieben ist vom Traum des Kriegers“ Doch nicht alle Haiku sind dem ZenBuddhismus zuzuordnen! Arakida Moritake (1473- 1549) war Priester am Schrein von Ise und hinterließ (jeweils 6-7-5 Silben/onji im Original): Gefallene Blüten kehren zum Baume zurück? Schmetterlinge sinds!
van Gogh sagte über seine Liebe zum Haiku: »Wenn man sich mit der japanischen Kunst befasst, dann sieht man, wie ein unbestreitbar weiser und philosophischer und kluger Mann seine Zeit womit verbringt? Die Entfernung des Mondes von der Erde zu studieren? Nein. Die Politik Bismarcks zu studieren? Nein. Er studiert einen einzigen Grashalm.« »Schau mal, ist das, was die Japaner zeigen, nicht beinah eine wahre Revolution, diese einfachen Japaner, die wie Blumen in der Natur leben?« Vincent van Gogh in einem Brief an seinen Bruder Theo, 24.Sept. 1888
Hier noch ein Haiku von Issa: So hat mein Vater schon die Berge gesehen, eingeschneit, allein.
Literatur: Jahreszeitenmotive in der japanischen Lyrik: zur Kanonisierung der kidai in ...von Martina Schönbein ISBN: 3447044241 Tiefe des Augenblicks: Essays zur Poetik des deutschsprachigen Haiku herausgegeben von Andreas Wittbrodt ISBN: 3937257101 Lyrik des Ostens Ausgabe – 2004 von Wilhelm Gundert, Annemarie Schimmel , Walther Schubring ISBN: 3937715274 @ http://www.deutschehaikugesellschaft.de
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