Das war es

I.
Das wars

meine dunkle Seite
wühlt sich mit Falten
in den Morgen
mädchenhaftes Heiligtum
voller Abgründe
gelebte Zeit
in der ich Ich war

II.
Freuds fragender Seufzer

„Was will das Weib?“
setze ich heute
keine Liebe auf Dauer
entgegen
mir reicht der Mann
(mein Geist lässt sich betrügen, meine Haut nicht)
für eine Nacht oder zwei, drei
der meinen Körper beglückt
und mein Lebensvorrat auffrischt

III.
Makulatur

fremder Geschmack
berauscht
und hinterlässt
ein diffuses Gefühl
Körper und Geist
im Kern zu füllen
irrsinnig dieser Wunsch

Liebe Ostseemöve,

da ziehe ich jetzt aber mal meinen Hut vor deiner ersten Strophe.
Selten, dass ich bisher einen offentsichtlichen Kontrast, also so harmonisch lesen und empfinden dürfte. Damit meine ich natürlich "dunkle Seite / mädchenhaftes Heiligtum". Deine LI schafft es sich weiterhin als heilig, also rein, zu betrachten, nachdem sie sich ausgelebt oder geschlafen hat. Dadurch drehst du das althergebrachte Bild der Moralvorstellungen rum und verwandelst es in wenigen Zeilen in ein gelebtes und gefühltes Selbstverständnis, dem nur das eigene Gewissen Einschränkungen auferlegen kann. Eine für sich gesehen sehr starker Charakter deine Protagonistin, wenn auch sehr verletzlich, da ihre Wünsche sich nicht ganz erfüllen, wenn ich den weiteren Gedichtverlauf richtig verstehe.

Auf jeden Fall viele Eindrücke vermittelt mit deinen kurzen Zeilen - das ist schwer.

Liebe Grüße

hallo Derolli
da bedanke ich mich herzlich für Dein Lob.
Im Grunde sind es 3 Gedichte, sie stehen aber in einem engen Zusammenhang (Lebenslauf).
Eine sehr erfahrene, hochgeschätzte Autorin von Kurzgeschichten sagte als Fazit: das Leben ist kein Zuckerschlecken.
Ich freue mich riesig wieviel Du aus diesen kurzen Zeilen heraus lesen konntest.
Danke dafür.
herzlich Ilona

lieber Thomas,

Zitat

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Wenn ich es mir diesbezüglich überhaupt anmaßen darf, dann sage ich: Das ist ein sehr gelungenes Beispiel für eine Gedicht in freier Form.

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Du darfst und ich freue mich über das Lob.

Zitat

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Eine Kleinigkeit. Da man meiner Meinung nach dem Leser immer möglichst helfen sollte, würde ich im Teil II nach "entgegen" die Zeile enden lassen, damit man mit dem Rest des Satzes, der auch noch einen (netterweise durch Klammern markierten) Einschub enthält, besser zu recht kommt.

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ich hatte genau über diesen Zeilenumbruch lange nach gedacht. Nun, lieber Thomas, jetzt wo Du es auch so siehst werde ich es ändern. Danke
herzlich Ilona