Ein Theaterstück

Ein jedes Menschenwort ist mir zuwider
und jedes Angesicht ist mir ein Grauen.
Ich spüre Gier und schließe meine Lider.
Wie sollte ich den Menschen auch vertrauen?

Gesetze werden überall gebrochen,
der Treueschwur, er wird zur Lebenslüge.
Ihr Denken ist vom eignen Wohl bestochen,
nur doppelzüngig quillts aus dem Gefüge.

Ich suche eine Insel ohne Spiegel,
verachte mich und meine ganze Rasse.
Im Rampenlicht da brodelt längst der Tiegel,
vergehen soll die Brut, die Menschenmasse.

Ich bin voll Dank, der Spuk ist nun beendet,
der Albtraum hat mich Gott sei Dank verlassen.
Der Vorhang fällt, Applaus hab ich gespendet.
Ich könnte Menschen nie und nimmer hassen.

Liebe Ilona,
zuerst kleine Kritik:
1. S1 V1: Bitte 'zuwider' zusammen schreiben.
2. S3 V3: Wie betonst du 'Molière(s)‘?
3. S4 V2: Vermeidbare Inversion.
Dein Gedicht liest sich sehr flott und es macht viel Spaß, deinen Gedanken zu folgen; Form, Inhalt und besonders der letzte Vers passen prächtig zum Thema.
Fein gemacht .
Herzliche Grüße,
Heliane.

liebe Heliane

als ich diese Aufgabenstellung las musste ich sofort an Dantes Komödie und an Moliers "Menschenfeind" denken. :-) Molier betone ich auf die erste Silbe. Naja, bei Namen ist das so eine Sache. Danke für "zuwider"
Was meinst Du mit Inversion? Ist es das: der Albtraum hat für immer mich verlassen. dann könnte ich schreiben: Der Albtraum hat mich Gott sei Dank verlassen ich hab da immer meine Schwierigkeiten mit.

Danke für Dein Lob.
herzlich Ilona

Liebe Ilona,
ein Satz besteht in der Reihenfolge aus Subjekt, Prädikat und Objekt; die Inversion ist also ein völlig verdrehter Satz. Frage: Sprichst du so? Nee nich? Nimm die "Gottseidank-Version", sie ist mit Abstand besser.

Molière: Nicht ohne Grund trägt das 'è' ein Accent grave; diese Silbe wird betont und ähnlich wie unser 'ä' gesprochen; 'Mo' wird nicht betont; das 'i' wird ähnlich unserem schwachen 'j' "herüber gezogen"; das 'e' am Ende wird nicht gesprochen.
Ich würde M. auslassen und vom Autor/Dichter schreiben. Oder du lenkst die Aufmerksamkeit auf die Bühne, wo der Tiegel bereits brodelt. Unbedingt solltest du versuchen, die letzten beiden Silben wegzukriegen.

Viel Erfolg,
Heliane.

hi Heliane und wenn ich Dante nehme dann stimmt doch alles oder?

Wie kommst du denn auf Dante? Er hat eher nichts mit Misanthropen am Hut.
Goethe hat, glaube ich, etwas drüber geschrieben. Warum magst du nicht 'Dichter' schreiben?

weil es Dante war der das Inferno mit all den Sünden, dem Verfall ... für mich am trefflichsten beschrieben hat. Dort in Dantes Hölle ist doch das ganze Misantropenpack aufs Feinste dargestellt. Ich werde nicht vergessen, ich konnte als junger Mensch irgendwann nicht mehr weiter lesen, so schlimm war es für mich. Ich überlege noch wegen dem "Dichter"
vielen Dank Heliane

Liebe Ilona,

die Aussage hast Du sehr gut treffend und flüssig gereimt und damit auch die Aufgabe bestens erfüllt. Menschenhass als eine Charaktereigenschaft hast Du überwiegend auf das Ich bezogen und somit auf Einzelfälle begrenzt, dabei aber auch deutlich dargestellt. Was mir dabei auffiel ist der häufige Zeilenbeginn 6mal mit "Ich".

LG Hans

Liebe Ilona,
das ist Dir wirklich gelungen !!! Ich weiß nicht mehr genau, wie es anfänglich war, auf jeden Fall, jetzt stimmt alles. Das Leben ein Theaterstück, bei dem man jeden Glauben an die Menschheit verlieren kann und versucht ist, die Menschen insgesamt zu hassen, am Ende jedoch versöhnliche Töne und eine positive Quintessenz, ohne auf die Pauke zu hauen.

Ganz liebe Grüße aus Lüli von
Karlheinz

Liebe Ilona,

Eine tolle Idee, den Mollièr'schen Misanthropen in die Aufgabe mit einzubeziehen. Man wird von Dir in die Empfindungen während des Theaterbesuches mit einbezogen um dann schließlich am Ende aufzuatmen, dass das Elend am Ende des Stückes ein Ende hat. Man erlebt hier zwei Ebenen und das finde ich interessant.
Dein Text lässt sich gut lesen und so macht es Freude sich auf Deinen Misanthropen einzulasssn.

Liebe Grüße,
Heidi

lieber Hans
vielen Dank für das Lob. Die "Ich habe ich versucht zu dezimieren.
lieber Karlheiz, auch dir sage ich Danke für das Lob und ja, das Leben ist manchmal schon ein Theaterstück, hoffen wir mit versöhnlichem Ende.

Liebe Heidi, vielen Dank für das Herausarbeiten der 2 Ebenen. Ich schreibe ja oft vom "ICH", hier ist es mir schwer gefallen. Ich bin zu sehr das Gegenteil von einem Menschenhasser. Da ist mir zum Glück Molliere eingefallen.

Liebe Grüße in den Montag
Ilona