in mir die schreie der fliehenden das oderhaff verstopft mit leichen, blut und abschied die erinnerung hängt als wolke öffnet sich als wiegenlied an unbekannter stelle.
ich habe mich (angesichts der Burnouts, mit denen wir uns heute "beschäftigen" ) schon öfters gefragt, wie diese Generation das alles verarbeitet hat, wahrscheinlich gar nicht - bzw. durch "Wiegenlieder".
Über die Form deines Textes bin ich mir unsicher. Einerseits scheint sie durch das vage, hinter Wolken hängende naheliegend, aber eine festere Form könnte vielleicht stärker wirken, und die Wolke ist ja wohlmöglich eher aus Panzerstahl.
mir gefiel diese Form für dieses Thema deshalb so gut , weil Flucht nichts Strukturiertes ist . Es bedeutet Auflösung alter, lieb gewonnener Strukturen, alles ist offen und die Not wird durch fehlende Reime spürbarer. Einen tröstenden Text zu dem Thema könnte ich mir hingegen in Reimform durchaus vorstellen , im Sinne eines Gehalten und getragen werdens...
Wie das unsere Vorfahren geschafft haben mit den grauenvollen Erlebnissen umzugehen? In dem sie ihre Emotionen zum Teil abgespaltet haben, sich auf den Wiederaufbau konzentrierten ohne nach Befindlichkeiten zu schauen, in dem sie zur Flasche oder zu anderen Fluchten griffen, in dem sie erstummten und erstarrten aber auch in dem sie durch Gespräche und durch Texte verarbeiteten , in dem sie sich stützten , in dem sie neue Heimatorte fanden - sie gingen , glaube ich , so unterschiedlich damit um , wie wir Menschen eben unterschiedlich sind ... Und trotzdem könnte man von einer Kollektivtraumatisierung sprechen, deren Folgen bis zum heutigen Tage spürbar sind ..
selten, dass ich mal eine andere Meinung als Thomas habe, doch zu diesem freien Text passt der Inhalt hervorragend. Außerdem habe ich dabei gelernt was das Oderhaff ist.
schließ dich bloß nicht meiner Meinung an - denn die ist nur Gefühlssache. Meist kann ich mi Dassolch freien Zeilen wenig anfangen, denn feste Formen haben oft mehr Macht über mich, da ich damit viele Erfahrungen gesammelt habe und über die Jahrmillionen sich für sie jeweils bestimmte Nischen aufgetan haben, die mit Assoziationen und Wirkung besetzt sind. Das Gedicht von anna a. hat in diesem Fall allerdings für mich Folgendes durch den freien Zusammenschluß bewirkt:
Zitatin mir (Gesamtbild - könnte sogar die eigentliche Überschrift sein, gibt den Rahmen für das ganze Folgende ab) die schreie der fliehenden (erste Kriegsassoziation - was wir nicht gefällt ist die Kleinschreibung, da sie mir nicht notwendig erscheint) das oderhaff (neues Bild - nach dem Wer jetzt das Wo) verstopft mit leichen, blut und abschied (jetzt ein Zusammenhang zwischen Dingen die man nicht Aufzählen kann, da zwei stofflich und eines metaphorisch) die erinnerung hängt als (tata hier ein echtes Stilmittel und eine plausible Kurzzeile plus Enjambement - denn die Wolke hängt und zwar im nächsten Vers) wolke öffnet sich als (das hätte ich jetzt auch wieder zusammengeschrieben gesehen) wiegenlied an unbekannter stelle. (dieser Schlusssatz ist für mich ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl der für die freien Zeilen spricht - was könnte unerwarteter sein als solch ein Schriftbild?)
Wahrscheinlich kann man das alles in eine dafür passende Form bringen, die durch ihre Struktur den Inhalt unterstreicht - vieleicht marschierende Soldaten im Dakthylus oder ähnliches - wahrscheinlich fehlt mir einfach nur die Phantasie dies mir vorzustellen.
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04.03.2015 14:27 (zuletzt bearbeitet: 04.03.2015 15:01)
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