Dichten ist kein "Verdichten von Sprache". Wer so dichtet ist ein "Versprecher", der das Versprechen der Poesie nicht einlöst. Der Architekt lässt zwar den Boden verdichten, weil ein Haus darauf gebaut werden soll, verbaut er es, gleicht er dem verdichtenden Dichter.
Was man im Gedicht wahrnimmt, und Dilettanten bisweilen als "verdichten" ausdrücken, ist eine Folge des schöpferischen Gestaltens des Dichters.
Der wahre Dichter formt sein Kunstwerk vollkommen logisch, nicht rational logisch, sondern in einer logischen Ordnung, diese entspricht dem gesetzmäßigen Schöpfungsprozess von Neuem in der harmonischen Ordnung des Kosmos. Die Geburtswehen dieser tieferen Logik darf man im Kunstwerk höchstens noch ahnen können, dann empfindet man es in einer in sich stimmigen Weise, wie ein Kristall, welches man als "verdichtet" bezeichnen könnte.
Die bisweilen angeführte Behauptung, der Wortstamm von "Dichten" und "Dichtung" komme im Deutschen von "dicht" ist falsch. Das mittelhochdeutsche Verb "tihten", aus dem im neuhochdeutsch "dichten" wird, stammt von dem althochdeutschen "dihtōn" [bzw. tihtōn", schriftlich abfassen, ersinnen], was vom lateinischen "dictare" abstammt. Gleichzeitig fließt das germanische "dihtjan" und das mittelhochdeutsche "tíchen" ein, welches "anordnen" bedeutet, also die Art bestimmt, wie etwas aufgeschrieben wird. Das Grimm’sche Wörterbuch sagt zu "tihten": "etwas schaffen, erdenken, aussinnen, anordnen, so auch ausdichten".
Wer dichtet, der ordnet an, verwebt, gestaltet, falls er "verdichtet", tut er das nur nebenbei.
das ist so natürlich richtig - dennoch besteht bei mir (und das beherrsche ich noch nicht so recht) ein bedeutender Teil der Arbeit auch darin mit besseren wenigen Worten mehr zu sagen, als ich dies zum Beispiel in einer Geschichte tun würde. Richtig blöde ist, wenn ich wegen Hebungen und Senkungen in diesen "verdichteten" Kompelx, dann wieder Füllsel einbaue. Die werden sowieso wieder angemahnt und dann geht die suche nach einem besseren "dichteren" Satz weiter.
Aber ich sehe das genau so, es geht um Logik, Wirkung und Schönheit (in Bedeutung und Klang) nicht um das Vorhaben einen möglichst kompakten Text zu schaffen.
das Wort "Logik" verwende ich hier ein wenig polemisch und spreche deswegen auch von "tieferer" Logik, weil ich der Meinung bin, dass ein gutes Gedicht ein gesetzmäßige Ordnung (die aber nicht unbedingt rational völlig zugänglich sein muss) mit sprachlichen Mitteln ausdrückt und genau wie im Apfelkern der gesamte Baum "eingefaltet" ist, entfaltet sich das Gedicht aus kleinstem Raum und wirkt deshalb "dicht". Etwas so, wie es Friedrich Schiller in seinem schönen Gedicht "Breite und Tiefe" beschreibt. Diese Art von Dichte hat mit "Verdichten" recht wenig zu tun (eher mit tíchen = anordnen), weshalb ich das Wort "verdichten" irreführend finde, und mich wundere, warum es so oft im Munde geführt wird.
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