Er sitzt auf einem Ampelregelungskasten. Sein Kopf bewegt sich langsam von links nach rechts und wackelt dabei vor und zurück. In kleinen Amplituden. Ich denke an den Wackeldackel, der bei vielen in den 70er Jahren auf der Hutablage ihrer Autos stand, und tauche kurz in eigene Erinnerungen ab.
Vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück – unermüdlich. So sehr ich mich auch bemühe, seine Augen kann ich beim Warten an der Ampel nicht erkennen, auf seinen Lippen scheint jedoch ein entrücktes Lächeln zu liegen. Dort auf diesem gelben Kasten sitzt er tagein- tagaus. Der Mann, dessen vierschrötiger kahlgeschorener, leicht gebräunter Kopf stets in Bewegung ist. Im Gegensatz zum Rest des Körpers, der in ein und derselben Position verharrt. Die Füße auf dem Boden, den Oberkörper leicht nach vorne geneigt, die Hände auf dem Kasten abgestützt, federt er die Oszillationen seines Schädels ab.
Die Ampel springt um, es ist grün. Hinter mir hupt jemand ungeduldig, ich fahre los. Wenn ich heute Nachmittag zurückkommen werde, wird er immer noch dort sitzen, regungslos, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und dem wippenden Kopf. Es sei denn, es würde regnen. Dann verschwindet er stumm zwischen den Häusern. Und meine Gedanken folgen ihm nach.
mit Freude und Interesse las ich deine Alltagsschilderung und war sehr schnell mittendrin. Du hast es sehr dicht geschrieben, voller Momente die sofort vor meinem inneren Auge entstanden.
Ich kenne so etwas auch, und fühle mich dann manchmal nach solchen Momenten noch für kurze Zeit werkwürdig auf Distanz verbunden.
Liebe Grüße der Sanderling
PS. Ein bischen musste ich wegen des Ortes deiner Geschichte an mein Im Stau denken. Deine Meinung hierzu hätte mich zu seiner Zeit auch interessiert.
sehr schön erzählt und eine Interessante Geschichte, die so alltäglich daher kommt, aber es ganz und gar nicht ist. Nur das Ende wirkt auf mich etwas distanziert, warum kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es auch Absicht. Oder vielleicht sehe ich es falsch.
Statt: "wird er immer noch dort sitzen, regungslos, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und dem wippenden Kopf. Es sei denn, es würde regnen. Dann verschwindet er stumm zwischen den Häusern. Und meine Gedanken folgen ihm nach."
wäre doch einfach möglich: "wird er immer noch dort sitzen, regungslos, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und dem wippenden Kopf?"
Sicherheitshalber: Nur eine Frage, keine Verbesserung!
ehrlich gesagt hatte ich überlegt genau an der Stelle aufzuhören. Aber als ich die Miniatur noch einmal las, fehlte mir ein Ende und so habe ich die Zeilen noch angefügt.
Ich finde es interessant, dass du das Ende distanziert wahrnimmst, denn genau das wollte ich transportieren. Dieser Mann, der tatsächlich tagtäglich auf dem Ampelregelungskasten sitzt, wirkt auf mich nämlich ent-rückt und in der Tat distanziert. Es ist als säße er hinter einer Glaswand, selbst ein Anflug von Blickkontakt ist nicht möglich.
Liebe anna a Ich kann mich nur anschließen um zu sagen, ja wir erfahren jeder diese kurzen Geschichten. Siewirken auf eine distanzierte Art lange nach. Sehr gut eingefangen. Liebe Grüße Ilona
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